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Reinhold Bernhard Jachmann, gelesen von Frank Arnold
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Kurze Informationen über das Hörbuch

Herausgeber und Produzent: Gerfried Horst
Aufnahmeleiter, Tonmeister und Schnitt: Martin Freitag
Aufnahme: Dezember 2003 – Januar 2004, Berlin
Cover: Immanuel Kant – Miniaturgemälde von Johann Adam Breysig, o. J., Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz, Portraitsammlung

(P) 2004 Universal Music GmbH, Berlin             [7’20:24]
Projektmanagement Günter Adam Strößner

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IMMANUEL  KANT
Was bedeutet uns Kants Leben?

Jeder Kant-Biograph setzt sich mit der spöttischen Bemerkung Heinrich Heines in seinem 1834 in Paris verfassten Buch »Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland« auseinander: »Die Lebensge­schichte des Immanuel Kant ist schwer zu be­schreiben. Denn er hatte weder Leben noch Geschichte. Er lebte ein mechanisch geordnetes, fast abstraktes Hagestolzenleben, in einem stillen abgelegenen Gässchen zu Königsberg, einer alten Stadt an der nordöstlichen Grenze Deutsch­lands.«
Sein äußeres Leben erweckt in der Tat diesen Eindruck. Immanuel Kant wurde am 22. April 1724 zu Königsberg, der Haupt­stadt Ostpreußens, in eine arme Handwer­kerfamilie geboren, besuchte daselbst das Gymnasium und die Universität, wo er Philosophie, Mathematik und Naturwissen­schaften studierte, verdiente sich danach etwa sieben Jahre lang seinen Lebens­unterhalt als Hauslehrer bei verschiedenen Familien in der Umgebung Königsbergs, habilitierte sich 1755 an der Königsberger Universität mit einer lateinischen Abhand­lung, erhielt 1765 eine gering bezahlte Stelle als Unterbibliothekar in der Königsberger Schlossbibliothek und wurde 1770 ordent­licher Professor für Logik und Metaphysik. 1781 erschien in Riga sein Hauptwerk, die »Kritik der reinen Vernunft«.Sein ganzes Leben lang entfernte Kant sich von Königsberg kaum mehr als ein paar Kilo­meter. Kant starb am 12. Februar 1804. Seine sterbliche Hülle wurde unter dem Geläute aller Glocken der Stadt von Tausenden zum Königsberger Dom begleitet und in der aka­demischen Totengruft beigesetzt.

Was kann uns das Leben eines Menschen bedeuten, das so ereignisarm verlaufen ist? Eine Antwort auf diese Frage gibt Arthur Schopenhauer. Er schreibt in seinem Aufsatz »Ueber die Universitäts-Philosophie«: »Kant ist vielleicht der originellste Kopf, den jemals die Natur hervorgebracht hat. Mit ihm und in seiner Weise zu denken, ist etwas, das mit gar nichts Andern irgend verglichen werden kann: denn er besaß einen Grad von klarer, ganz eigenthümlicher Besonnenheit, wie solche niemals irgend einem andern Sterblichen zu Theil geworden ist.« Wie Kant dachte, zeigte sich in seinem alltäglichen Verhalten, in seinen Gesprächen mit seinen Schülern und Freunden. Sein Schüler und Biograph R. B. Jachmann schreibt im Dreizehnten Brief seiner Schilde­rung Immanuel Kants:
»So wenig er seine Kenntnisse bloß aus Büchern geschöpft hatte, so wenig lebte er auch bloß für die Bücherwelt. Das Leben selbst war seine Schule gewesen, für das Leben benutzte er auch sein Wissen, er war ein Weiser für die Welt. – Und welch einen unbeschreiblichen Nutzen hat der unsterbliche Mann gerade dadurch gestiftet, dass er sich für die menschliche Gesellschaft aus­gebildet hatte und dass er in ihr so gern lebte! Hier formte er die originellen Ideen seiner tiefsinnigen Philosophie in eine fassliche Lebensweisheit um und ward dadurch in dem engem Kreise des gesel­ligen Umganges noch lehrreicher als selbst durch seine Schriften und öffentliche Vorlesungen. Er, der als kritischer Philosoph nur wenigen Ge­weihten zugänglich war, er versammelte als Philosoph des Lebens Menschen aller Art um sich her und ward allen interessant und nützlich. Wer unsern Kant bloß aus seinen Schriften und aus seinen Vorlesungen kennt, der kennt ihn nur zur Hälfte; in der Gesellschaft zeigte er sich als den vollendeten Weltweisen.«
Aus den Schilderungen seiner Schüler können wir lernen, wie Kant dachte und wie er andere denken lehrte. »Sie werden, das wie­derholte er seinen Schülern unablässig, bei mir nicht Philosophie lernen, aber – philosophieren; nicht Gedanken bloß zum Nachsprechen, son­dern denken. … Selbst denken – selbst forschen, – auf seinen eigenen Füßen stehen, – waren Ausdrücke, die unablässig wieder vorkamen« (Darstellung des Lebens und Charakters Immanuel Kants, von L. E. Borowski, Königsberg 1804). Seine Lebensgeschichte, erzählt von Menschen, die ihn kannten, lässt uns einen Hauch von Kants Geist verspüren.

Seine Lebensgeschichte hat jedoch noch eine ganz andere Bedeutung, als uns mit sei­ner Gedankenwelt bekannt zu machen. Wenn es auf die äußeren Ereignisse ankäme, dann hätten heute Millionen von Menschen, die jedes Jahr in ferne Länder in den Urlaub fahren, ein viel bedeutungsvolleres Leben als Kant. Kant hatte jedoch erkannt: »Das Wesen der Dinge ändert sich durch ihre äußeren Verhältnisse nicht, und was … den absoluten Wert des Menschen allein ausmacht, danach muss er auch, von wem es auch sei, selbst vom höchsten Wesen, beurteilt werden« (Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten). Er verlangte von einem Menschen, »dass er mit einem Willen, der von Antrieben der Sinnlichkeit frei ist, sich in Gedanken in eine ganz andere Ordnung der Dinge versetze, als die seiner Begierden im Felde der Sinnlichkeit,« wo er dann »einen größeren inneren Wert seiner Person erwarten kann«(ebenda). Die Aufgabe eines Menschen, die moralische Bestim­mung unserer Natur, ist es nach Kant, seine Lebenszeit dazu zu nutzen, ein moralisch guter Mensch zu werden, d. h. einer, der, » wenn er etwas als Pflicht erkennt, keiner andern Triebfeder weiter bedarf als dieser Vorstellung der Pflicht selbst: das kann nicht durch allmähli­che Reform, sondern muss durch eine Revolution in der Gesinnung im Menschen (einen Übergang , zur Maxime der Heiligkeit derselben) bewirkt werden; und er kann ein neuer Mensch, nur durch eine Art von Wiedergeburt, gleich als durch eine neue Schöpfung …, und Änderung des jHerzens werden« (Immanuel Kant, Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft). Nach dieser »Umwandlung der Denkungsart« kann der Mensch hoffen, dass er »sich auf dem guten (obwohl schmalen) Wege eines beständigen Fortschreitens vom Schlechten zum Bessern befinde« (ebenda).

In seinem Sechsten Brief schreibt Jachmann: »Kant lebte wie er lehrte!« Kant hatte sich auf den Weg der Befreiung, den Weg zu einer ganz anderen Ordnung der Dinge, den Weg zur Heiligkeit begeben. Das war sein Lebensweg, ein innerer Weg, für den äußerliche Reisen nicht erforderlich sind. Er ging diesen Weg selbst und zeigte dadurch gleichzeitig den anderen, dass es möglich sei, das zu tun. Den unwandelbaren Entschluss, diesen Weg einzuschlagen, hatte Kant schon früh gefasst. In seinem ersten Werk »Gedanken von der wahren Schätzung der lebendigen Kräfte«, das er 1747 im Alter von 23 Jahren verfasste, schrieb er: »Ich habe mir die Bahn schon vorgezeichnet, die ich halten will. Ich werde meinen Lauf antreten, und nichts soll mich hindern ihn fortzusetzen.«

Den Abschluss dieses Hörbuchs bildet ein Text von Kant selbst, der »Beschluss der Kritik der praktischen Vernunft«. Er hat darin den Kern seiner Lehre meisterhaft in wenige Worte gefasst und angegeben, wie man es anstellen soll, um ihm auf seinem Wege zu folgen:          »Wissenschaft (kritisch gesucht undmethodisch eingeleitet) ist die enge Pforte, die zur Weisheitslehre führt, wenn unter dieser nicht bloß verstanden wird, was man tun, sondern was Lehrern zur Richtschnur dienen soll, um den Weg zur Weisheit, den jedermann gehen soll, gut und kenntlich zu bahnen, und andere vor Irrwegen zu sicheren;…«

Jedermann soll den Weg gehen, den Kant gefunden hat und selbst gegangen ist. Das können wir aus den Schilderungen von Kants Leben lernen; darin besteht ihre große Bedeutung für uns.

© 2004 Gerfried Horst

Reinhold Bernhard Jachmann wurde am 16. August 1767 in Königsberg geboren; nach dem Besuch des Altstädtischen Gymnasiums bezog er 1783 die Königsberger Universität (immatri­kuliert 11. 4. 1783), 1787 erwarb er den Grad eines Magisters, 1794 übernahm er die Stelle eines 3. Predigers in Marienburg, 1801 siedelte er als Leiter des Conradinum nach Jeschkau bei Danzig über; 1814 wurde er Regierungs- und Schulrat in Gumbinnen, 1832 Provinzial­schulrat und Geheimrat in Königsberg und Thorn. Er starb am 28. September 1843. Jachmanns Biographie wurde von Karl Vorländer [Die ältesten Kant-Biographien. Eine kritische Studie. Berlin 1918] kritisch gesichtet; es ergaben sich hierbei folgende Corrigenda: »Aus der Ehe von Kants Eltern entsprangen neun, nicht sechs Kinder; und von seinen Schwestern lebte 1804 nur noch eine. Von seinen Hauslehrerstellen wird nur die eine in Arnsdorf angegeben und die Hauslehrer-Zeit auf neun Jahre (statt etwa sieben) angesetzt; desgleichen die Erstlingsschrift auf 1746 statt 1749; Kant zog sich nicht schon 1794, sondern erst im Sommer 1796 vom Lehramt ganz in seine stille Einsamkeit zurück. Green starb nicht zwanzig, sondern 1786, also 17 bis 18 Jahre vor Kant; auch ist die Freundschaft mit ihm nicht erst zur Zeit des englisch-nordamerikanischen Krieges entstanden. Lampe ist nicht wegen Altersschwäche entlassen worden«.

Ehregott Andreas Christoph Wasianski stammt wie Jachmann aus einer Königsberger Familie.
Geboren am 3. Juli 1755, wurde er nach Besuch des Kneiphöfschen Gymnasiums, wo sein frühverstorbener Vater bereits Lehrer war, am 17. 9. 1772 als Student der Theologie an der Albertina immatrikuliert; neben seinem Hauptfach interessierte er sich vor allem für Naturwissenschaften und Medizin; 1780 verließ er die Universität, um zuerst als Kantor, dann (1786) als Diakon, schließlich (1808) als Pfarrer an der Tragheimer Kirche in Königsberg zu wirken; dort hing bis zur Zerstörung Königsbergs sein Porträt. Er starb am 17. April 1831 in Königsberg.

Der Regisseur, Schauspieler und Dramaturg Frank Arnold  wurde in Berlin geboren und wuchs zweisprachig (deutsch-englisch) in einem musikalischen Elternhaus (Klavierstudium) auf. Dem Studium der Philosophie und Theaterwissenschaft an der Freien Universität Berlin folgte ein Schauspielstudium an der HdK (Max-Reinhard-Schule) Berlin. 1979 wurde er als Schauspieler an das Berliner Schillertheater engagiert; später nach Heidelberg und Düsseldorf. Ab 1981 machte er Regie und Dramaturgieassistenz an den Münchner Kammerspielen, an der Berliner Schaubühne am Lehniner Platz und am Berliner Schillertheater. Er führte Opernregie in Ulm,
München, Braunschweig, Klagenfurt und Seoul und inszenierte Schauspiele für Bühnen in Zürich, Berlin, Wien und Klagenfurt. Für diverse Rundfunk- und Fernsehanstalten arbeitete er als Sprecher und Rezitator und veröffentlichte zahlreiche CDs. Auf Deutsche Grammophon erschienen mit Frank Arnold die »Joel«-Tetralogie von Henning Mankell, Erzählungen und Romane von Cechov, Texte von Kafka und Hölderlin, der Briefwechsel Uwe Johnson – Siegfried Unseld, Märchen von Wilhelm Hauff, »Was ist Aufklärung« von Immanuel Kant und der Roman »Rot und Schwarz« von Stendhal.

Die biographischen Angaben zu Jachmann und Wasianski wurden der Einleitung von Rudolf Malter zur Buchausgabe »IMMANUEL KANT · SEIN LEBEN IN DARSTELLUNGEN VON ZEITGENOSSEN · DIE BIOGRAPHIEN VON L. E. BOROWSKI, R. B. JACHMANN UND E. A CH. WASIANSKI« [ISBN 3-534-03727-8] mit freundlicher Genehmigung der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Darmstadt, entnommen.

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