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Immanuel Kant, gesprochen von Frank Arnold
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Kurze Informationen über das Hörbuch

Sprecher: Frank Arnold
Quellenangabe:
Kants gesammelte Schriften.
Herausgegeben von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften.
1 Band II, S. 37-44 · 2 Band II, S. 257-271 · 3 Band VIII, S. 33-42

Idee und Textauswahl: Gerfried Horst
Regie: Gerwig Epkes
Schnitt: Angela Raymond und Johanna Fegert
Aufnahme: Baden-Baden, Dezember 1999
Co-Produktion mit Südwestrundfunk Baden-Baden
SWR2 vor Mitternacht
Illustration: Altersportrait Immanuel Kant · Gemälde von Gottlieb Doebler, 1791
© AKG Archiv für Kunst und Geschichte, Berlin

(P) 2000 Universal Music GmbH, Hamburg

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»Kants Geist war eine helleuchtende Sonne, die nichts verdunkelte, die alles um sich her er­leuchtete und erwärmte«, schrieb der Schüler und Biograph Kants, R. B. Jachmann, in Kants Todesjahr. Immanuel Kant wurde am 22. April 1724 zu Königsberg in Preußen geboren.  Sein Vater war der  Königsberger Riemermeister Johann Georg Kant (1683-1746), seine Mutter dessen Ehefrau Anna Regina, geborene Reuter (1697-1737), deren Vater Caspar Reuter aus Nürnberg stammte und ebenfalls Riemermeister in Königsberg war. Johann Georg und Anna Regina Kant waren beide evangelische Pietisten. Ihr Sohn Immanuel be­suchte das Collegium Fridericianum und die Königsberger Universität „Albertina“, wo er Philosophie, Mathematik und Naturwissenschaften studierte, ver­diente sich danach fast neun Jahre lang sei­nen Lebensunterhalt als Hauslehrer bei verschiedenen Familien in Ostpreußen, habilitierte sich 1755 mit einer lateinischen Abhandlung, erhielt 1765 eine gering bezahlte Stelle als Unterbiblio­thekar in der Schlossbibliothek und wurde 1770 ordentlicher Professor für Logik und Metaphysik. 1781 erschien in Riga sein Hauptwerk, die »Kritik der reinen ‘Vernunft«.
Die einzige große Stadt, die Kant in seinem Leben gesehen hat, war Königsberg; die Provinz Ostpreußen hat er nie verlassen; »am meisten aber«, schreibt Jach­mann, »studierte er die Schriften, welche uns mit der Erde und ihren Bewohnern bekannt machen, und es ist gewiß keine Reisebeschrei­bung vorhanden, welche Kant nicht gelesen und in sein Gedächtnis aufgefaßt haben sollte.« Kants Freunde und Bekannte stammten meist nicht aus dem Bereich der Univer­sität, sondern aus praktischen Berufen. Sein bester Freund war der englische Kaufmann Joseph Green, dem er die »Kritik der rei­nen Vernunft« Satz für Satz vortrug und von ihm beurteilen ließ. Kant starb am 12. Februar 1804. Seine sterbliche Hülle wurde unter dem Geläute aller Glocken der Stadt von Tausenden zum Königsberger Dom begleitet und in der akademischen Totengruft beerdigt.
42 Jahre lang, von 1755 bis 1797, hielt Kant an der Königsberger Universität, der im Jahre 1544 gegründeten Albertina, Vorlesungen über Metaphysik, Logik, Ethik, worunter er die allgemeine praktische Welt­weisheit und die Tugendlehre verstand, Pä­dagogik, Physik, Naturrecht, rationale Theologie, Anthropologie sowie physische Geographie, die er als physisch-moralische und politische Geographie lehrte. Er war ein Muster von Pünktlichkeit, verspätete sich nie und ließ jahrzehntelang nicht eine Stunde ausfallen, weil er aufgrund seiner Lebensdisziplin trotz seiner schwachen Konstitution nie krank wurde. Wie sein Schüler Jachmann schreibt, waren Kants Vorträge ganz frei; am leichtesten waren seine Vorlesungen über Logik zu verstehen; »nur war Kants Absicht nie, eine Logik seinen Zuhörern beizubringen, sondern sie denken zu lehren.« Zu seinen Vorlesungen kamen nicht nur Studenten, sondern auch Geschäfts­leute, Offiziere und andere, die ihre Kennt­nisse erweitern wollten.
Kants Schüler Borowski berichtet: »Das Zutrauen zu seinen Kenntnissen und der Wunsch, von ihm Unterricht zu erhalten, ging in seinen ersten Magisterjahren so weit, daß man glaubte, er könne und müsse alles, was man nur irgend zum Gebiet der sogenannten philosophi­schen Fakultät rechnet, lehren. So baten ihn einige, besonders kurländische Studierende damals um ein ästhetisches Kollegium und Übungen in Wohlredenheit und im deutschen Stil.« Diese Aufgabe übertrag Kant seinem Assistenten Borowski, der unter seiner Direktion in den beiden Wintern 1759 und 1760 einem Kreise von 15 bis 18 jungen Leu­ten Unterricht dieser Art erteilte. Dazu muss auch der aus Kurland stammende Student Johann Friedrich von Funk gehört haben, der am 4. Mai 1760 im 22. Lebensjahr starb und dessen früher Tod Kant die Gedanken eingab, die er in dem hier vorgelesenen Sendschreiben vom 6. Juni 1760 an die Mutter des Studenten äußerte. Borowski bemerkt zu dieser im selben Jahr in Königsberg gedruckt erschienenen kleinen Schrift: »Auf Veranlassung des Hofmeisters dieses jungen Mannes, welcher glaubte, daß Kants Wort zur Beruhigung der Mutter viel wirken würde, setzt er diesem Jünglinge, von welchem er mit Recht (ich kannte ihn genau) sagt: >Sein Leben ist ein Fragment, welches uns das Übrige hat wünschen lassen, dessen uns ein früher Tod beraubt hat< ein den Schüler und sei­nen gutmütigen Lehrer gleich ehrendes Denkmal.«
Im Jahre 1760, als er dieses Schreiben verfasste, war Kant 36 Jahre alt. Es war zur Zeit des Siebenjährigen Krieges (1756 bis 1763), auf den er darin mit den Worten hin­wies: »Zu einer Zeit, da ein wütender Krieg die Riegel des schwarzen Abgrundes eröffnet, um alle Trübsale über das menschliche Geschlecht hervorbrechen zu lassen, …«. ln dem Schreiben erklärt Kant die Bedeutung des Todes, der Ausgangspunkt der Philo­sophie ist, und des Lebens, das Vorbereitung auf den Tod sein sollte, von den Menschen jedoch mit eigenen Plänen und Hoffnungen auf eine lange Reihe von Vergnügen verbracht wird, bis der Tod diese Träumereien plötzlich beendet. Der Gedanke an den Tod führt daher zur Ver­nunft, zum Erwachen. Kants ganzes Le­benswerk bestand darin, den Menschen den Weg zu zeigen, sich von ihren Hirn­gespinsten zu befreien und zur Vernunft zu kommen.
Der »Versuch über die Krankheiten des Kopfes« erschien anonym in den »Königsbergschen Gelehrten und Politischen Zeitungen«, 1764. Die Hauptveranlassung dazu lag, wie Borowski mitteilt, in dem Auftreten eines halbverrückten, etwa 50 Jahre alten Schwärmers namens Jan Pawlikowicz Idomozyrskich Komarnicki, der sich in Gesell­schaft eines 8jährigen Knaben und einer Herde von 14 Kühen, 20 Schafen und 46 Ziegen nahe bei Königsberg aufhielt und immer Bibelstellen, besonders aus den Propheten, im Munde führte, weshalb er von der ihn angaffenden Volksmenge den Namen eines Ziegenpropheten erhielt. Kant wurde gebeten, sein Gutachten über die sonderbare Erscheinung zu geben, ging hin und fand, das Merkwürdigste sei der 8jährige Knabe, »der kleine Wilde, der in den Wäldern aufgewachsen, … ein vollkommenes Kind« im Sinne Rousseaus zu sein schien.
Kant untersucht »die geheimen Gebrechen des Kopfes oder des Herzens«, an denen die Menschen in einer bürgerlichen Gesell­schaft leiden, und den weit verbreiteten »Selbstbetrug in den Empfindungen« und stellt fest: »Die Seele eines jeden Menschen ist selbst in dem gesundesten Zustande geschäftig allerlei Bilder von Dingen, die nicht gegenwärtig sind, zu malen …«. »Man hat gar nicht Ursache zu glauben: daß in dem Zustande des Wachens unser Geist hierbei andere Gesetze befolge als im Schlafe…«. Im Allgemeinen »sehen durch eine gewöhnliche Verblendung die Menschen nicht, was da ist, sondern was ihnen ihre Neigung vormalt…«. Es ist für jeden einzelnen Menschen schwer, sich aus die­sen Verblendungen zu befreien.
Wer nicht verblendet ist, jedoch durch eine moralische Empfindung stärker be­wegt wird als andere, der muss nach Kant damit rechnen, von der Mehrheit der ande­ren, die die Welt nur im Lichte ihrer Interessen betrachten, als teilweise Verrück­ter, als Phantast angesehen zu werden. So würde eine Gruppe von Wucherern den im alten Athen lebenden Staatsmann Aristides (520-467v. Chr.), dessen Ehrlichkeit sprich­wörtlich war, als einen weltfremden Phan­tasten betrachten. Das gleiche würden heuchlerische und karrieresüchtige Hof­leute von dem griechischen Philosophen Epiktet (50—38) denken, der gelehrt hat, dass nicht Besitz, Ansehen und äußere Stellung uns glücklich oder unglücklich machen, sondern nur unsere Vorstellungen darüber. Dieser Anschein der Phantasterei in an sich guten, moralischen Empfin­dungen, sagt Kant, »ist der Enthusiasmus, und es ist niemals ohne denselben in der Welt etwas Großes ausgerichtet worden.«
Kants im Dezemberheft der Berli­nischen Monatsschrift 1784 veröffentlichte Abhandlung »Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?« atmet den Geist des Enthu­siasmus. »Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Un­mündigkeit« – dieser Satz Kants enthält die Unabhängigkeitserklärung des Menschen. Von dem »Ausgang« ist die Rede, nicht von dem »Ausstieg«, dem heutigen Modewort. Aus seiner selbstverschuldeten Unmündig­keit kann der Mensch nicht aussteigen; er kann nur versuchen, sich aus ihr herauszu­arbeiten; er kann gehen lernen.
»Faulheit und Feigheit sind die Ursachen«, warum so viele Menschen gerne zeitlebens unmündig bleiben. »Daher gibt es nur wenige, denen es gelungen ist, durch eigene Bearbeitung ihres Geistes sich aus der Unmündigkeit heraus zu wickeln, und dennoch einen sicheren Gang zu tun.« Kant gehört zu diesen wenigen.
In dem Sendschreiben an Frau von Funk bezeichnet Kant sich selbst als »Lehrer der Weltweisheit auf der Akademie zu Königsberg«. Über Kants Lehrweise berich­tet sein Schüler und Biograph Borowski: »Sie werden, das wiederholte er seinen Schülern unablässig, bei mir nicht Philosophie lernen, aber – philosophieren; nicht Gedanken bloß zum Nachsprechen, sondern denken. … Selbst denken — selbst forschen — auf seinen eigenen Füßen stehen, – waren Ausdrücke, die unabläs­sig wieder vorkamen.« Kant half seinen Schülern, sich von ihren gewöhnlichen Ver­blendungen zu befreien, ihre Faulheit und Feigheit zu überwinden und den von der Natur in sie gelegten Keim, »nämlich den Hang und Beruf zum freien Denken« zu ent­wickeln. Auf diese Weise lehrte er sie Weltweisheit.
Das Fach »Weltweisheit« wird auf unse­ren heutigen Universitäten nicht unter­richtet. Es ist deshalb gut, sich von Kant selbst unterrichten zu lassen. Wir haben heute über das Internet Zugang zu einer Unzahl von Informationen, die wir jeder­zeit abrufen können, und werden durch Fernsehen, Rundfunk und Presse den ganzen Tag lang informiert. Hier gewinnt Kants Warnung eine erstaunliche Aktua­lität: »Es ist so bequem, unmündig zu sein. Habe ich ein Buch, das für mich Verstand hat, … : so brauche ich mich ja nicht selbst zu bemühen. Ich habe nicht nötig zu denken, wenn ich nur bezahlen kann; andere werden das verdrießliche Geschäft schon für mich überneh­men.« Zu Kants Zeiten war es nur ein Buch; heute ist es eine Welt von Kommunika­tionsmitteln. Wie Kant erklärt, müssen wir lernen, uns unseres Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Das Internet kann nicht für uns denken; das können wir nur selber tun. Die totale Informationsgesellschaft, in der wir leben, erfordert deshalb als Gegengewicht ein neues Zeitalter der Aufklärung.

© 2000, 2019 Gerfried Horst

Frank Arnold wurde in Berlin geboren und wuchs zweisprachig (deutsch-englisch) in einem musikalischen Elternhaus auf. Dem Studium der Philosophie und Theaterwissenschaft an der Freien Universität Berlin folgte ein Schauspielstudium an der HdK (Max- Reinhard-Schule) Berlin. 1979 wurde er als Schauspieler an das Berliner Schillertheater engagiert; später nach Heidelberg und Düsseldorf. Von 1981 bis 1983 machte er Regie und Dramatur­gieassistenz an den Münchner Kammerspielen und von 1983 bis 1985 an der Berliner Schaubühne am Lehniner Platz. Ab 1985 bis zu dessen Schließung war er wieder am Berliner Schillertheater als Schauspieler, Dramaturg und Regisseur tätig. Frank Arnold führte Opernregie in Ulm, München, Braunschweig, Klagenfurt und Seoul und inszenierte Schauspiele für Bühnen in Zürich, Berlin, Wien und Klagenfurt. Für zahlreiche Funk- und Fernsehanstalten arbeitete er als Sprecher und Schauspieler.

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