Ganz einfach Kant

Die elfte Kant-Reise brachte die „Freunde Kants und Königsbergs“ nach Kaliningrad.
Unser Autor Milan Procyk war zum ersten Mal dabei.

In einer seiner Reden zitierte Gerfried Horst einen französischen Verleger und dessen bevorzugte Bezeichnung Kants: Kant müsse nicht als „großer“ Philosoph bezeichnet werden, das verstehe sich von selbst. Es reiche vollkommen aus, den einsilbigen Namen zu nennen – Kant – der sei schon über jede Adelung erhaben. 

Gerfried Horst ist Vorsitzender der „Freunde Kants und Königsbergs“ (www.freunde-kants.com), die jedes Jahr um den 22. April (der Geburtstag des Philosophen) nach Kaliningrad kommen. Auch in diesem Jahr sprach er viel, das Interesse an seinem Verein war groß. Die „Freunde Kants und Königsbergs“ haben sich dem Andenken an Kant im ehemaligen Königsberg verschrieben. Sie unternehmen seit 2008 alljährlich die Kant-Reise und haben sich 2011 als „Freunde Kants und Königsbergs e.V.“ zusammengeschlossen. Ich durfte in diesem Jahr erstmals davon Zeuge werden, welche Bedeutung der Name mit den vier Buchstaben noch immer hat. Allemal in der Region Kaliningrad: Als ich zu spät zur Kant-Geburtstagsfeier in den Dom kam, wollte man mich erst nicht hineinlassen. Als ich „Kant“ sagte, wich man sofort zur Seite. Kant als Code also.

Rund 50 Reisende kamen in diesem Jahr nach Kaliningrad, hörten Vorträge und diskutierten. Dass die Reise nach Russland führte, wurde uns, die wir im Bus anreisten, spätestens an der Grenze klar: Polnische und russische Grenzbeamte beäugten misstrauisch Reisepass und Visum – ein ungewohnter Anblick für Deutsche in meiner Generation. Vielleicht lag das aber auch am schweren Gepäck: Sanktionen und Gegensanktionen, Skripal und Syrien. Gut, dachte man, dass Kant und Königsberg Gelegenheit für deutsch-russischen Dialog bieten.

Während der Reise dann staunte ich, welche Früchte dieser Dialog schon hervorbringt. In Weselowka (ehem. Judtschen) befindet sich das alte Pfarrhaus mitten in der Restauration. Auf das Engagement von Dr. Dierk Loyal, ein Mitglied der „Freunde Kants und Königsbergs“ dessen Vorfahren aus Judtschen stammen, folgte der Wiederaufbau der historisch bedeutsamen Stätte (Kant war hier nach dem Studium als Hauslehrer tätig). Der Kunsthistoriker Loyal stellte sein allumfassendes Wissen über Judtschen und Museumsexponate aus seiner Privatsammlung zur Verfügung, der Fonds des russischen Präsidenten das nötige Geld für den Bau. 

Auch anderswo wurde die Zusammenarbeit sichtbar. Im Kaliningrader kunsthistorischen Museum etwa, das der Gesellschaft am dritten Reisetag seine Räumlichkeiten für eine Kant-Konferenz überließ. Oder in Kurortnoje (ehem. Wohnsdorf). Der Kaliningrader Wladimir Sozinow widmet sich hier dem Wiederaufbau des historischen Ordensturms. In einer Laube vor dem Eingang zum Turm saßen seinerzeit der Gutsbesitzer und spätere preußische Minister Friedrich Leopold Freiherr von Schrötter, sein Vater und Kant oft bei Kaffee und Pfeife zusammen. 

Immanuel Kant starb im Jahre 1804. Im Jahr darauf beschlossen seine Freunde, jedes Jahr an seinem Geburtstag zusammenzukommen. Dabei gab es nicht nur festliches Essen; jedes Jahr wurde zu einem aktuellen Thema, das mit Kant zu tun hatte, ein Vortrag gehalten. Im Jahre 1814 kam dann auf Vorschlag des Astronomen Friedrich Wilhelm Bessel die silberne Bohne hinzu: sie bestimmte – im Kuchen versteckt – den Redner des nächsten Jahres.

Auch dieses Jahr gab es wieder ein sogenanntes „Bohnenmahl“ am 22. April, dem Geburtstag von Kant. Die Bohnenrede kam von der Kaliningrader Künstlerin Nelly Smirnjagina. Kant spielt in ihrem Werk eine zentrale Rolle. Man darf hoffen (um Kant zu antworten): auch in der Zukunft der Oblast. 

In der Gegenwart scheint das gegeben zu sein: Wie jedes Jahr wurden am Nachmittag des 22. April am Grabmal Kants Blumen niedergelegt. Man gratulierte ihm zum Geburtstag. Fast so, als wäre er noch am Leben.

URL: https://koenigsberger-express.com/index.php?id_article=4067&kat=8

© 2018 Milan Procyk

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