Geschichte

Die Rede der Bohnenkönigin Lilo Oberli-Szardenings: K-K-K – Königsberg-Kunstturnen – Kant

Liebe Freunde Kants und Königsbergs, des heutigen Kaliningrads!

Heute besuche ich zum 6. Mal mit den Freunden Kants und Königsberg das Deutsch-Russische Haus, um mit ihnen gemeinsam das Bohnenmahl anlässlich Kants Geburtstag zu feiern.
Ich freue mich und begrüße Sie ganz herzlich.

Durch die Freunde Kants und Königsbergs, speziell Herrn Gerfried Horst, habe ich im April 2009 zum  ersten Mal unter  Ihnen weilen  dürfen. Seither ist das für mich nicht mehr wegzudenken.
Seit 1998 besuche ich  Kaliningrad/Königsberg, heute zum 18. Mal.
Sie werden fragen: Warum?

Meine Wiege stand im Herzen von Königsberg, Vorder Rossgarten 9.
Ich erblickte als zweites Kind meiner Eltern am 14. Juni 1933 das Licht der Welt.
Getauft wurde ich in der Neurossgärter Kirche. 1935 bauten meine Eltern unser Haus, Schwalbenweg 53, in dem Königsberger Vorort Rothenstein. Der Kinderwunsch meiner Eltern war groß. Ein Mädchen sollte noch  kommen, aber es blieb bei 4 Buben. Eine gesunde Schar, 5 Brüder und ich wuchsen heran.
Wir erlebten mit unseren Eltern wunderbare Kinderjahre.                                     

Viele Erinnerungen von der interessanten schönen Stadt Königsberg sind geblieben und haben uns geprägt. Lassen Sie mich einige erwähnen:
Ich erinnere mich, einige Male mit Mama bei Gräfe und Unzer nach Kinder- und Schulbüchern gestöbert  zu haben. Stadtausflüge, Sonntagsspaziergänge mit den Eltern wurden gepflegt. Der Zoo war ein viel  besuchter Ort. Die Sommermonate waren für Cranz, Rauschen, Nidden, Rutschpartien auf den  Wanderdünen und mehr reserviert. Schiffsfahrten zu den Großeltern nach Memel waren immer ein Erlebnis. Wir wurden mit viel Liebe und Strenge (Preußische Tugend) erzogen.

1943 vor Weihnachten, durften wir mit unseren Eltern das schönste Märchen „Peterchens  Mondfahrt“ von  Bassewitz im Königsberger Schauspielhaus erleben. Es war und blieb für uns ein unvergessenes   Weihnachtsgeschenk in unserer Heimat.                               

Dann kam das Jahr 1944. Am 26./27. und 29./30. August wurde die Stadt Königsberg durch zwei britische Luftangriffe bis auf den Boden zerstört.
Die historische Stadt mit ihrer großartigen Vergangenheit versank. Spreng- und phosphorgefüllte Stabbrandbomben wurden gezielt auf Kulturstätten, die Innenstadt und die Bevölkerung abgeworfen. Tausende von Menschen haben in den Flammen ihr Leben verloren. Sie erstickten, sie  verbrannten und verkohlten bis zur Unkenntlichkeit. Die Retter waren machtlos. Es war die Hölle. Unser Papa hat die Nächte und Tage bei den  Rettungsarbeiten erlebt.                  

Wir haben diese Nächte im Rothensteiner Bunker verbracht, welcher heute noch in Rothenstein steht.  
Die Sprenggewalt der Bomben war so stark, dass der Bunker schaukelte. Die Lichtversorgung fiel aus; die Menschen  schrien; es herrschte Panik. Sie ahnten, dass draußen etwas Schreckliches passierte. Viele Stunden waren wir in den Bunkerlöchern eingesperrt.                                                                                                                                 

Rothenstein blieb zum Teil verschont. Unser Haus überlebte auch das Kriegsende. Es steht heute noch.
Ein paar Tage nach dem letzten Bombenangriff erhielt ich vom Jungmädel-Dienst eine Aufforderung, auf dem Rothensteiner Friedhof beim Stecken der Kreuze auf den Massengräbern zu helfen. Beschriftet waren die Kreuze mit den Worten: „ Hier ruht Unbekannt“ Es nahm kein Ende.
Beim Entladen weiterer Särge fragte ich einen Helfer: „Wie viele Menschen liegen in diesem Sarg?“ Ich  bekam die Antwort: „Mädel, in diesem Sarg liegen 6-8 verbrannte, verkohlte Menschen.“ Die Belastung für mich, als elfjähriges Kind, war groß, aber wir wollten helfen! Diese Bilder sind aus meinem Leben nicht wegzuwischen.    

Ende Januar 1945 – die Flucht.
Über unsern trostlosen Fluchtweg zu berichten, reicht die Zeit von heute nicht. Deshalb nur eine kurze Zusammenfassung:
Es waren die letzten Schritte, als wir unser Zuhause auf nie mehr Wiedersehen verließen.
Ein angstvoller weiter Weg ins Ungewisse lag vor uns. Bei eisiger Kälte -20/- 22°, unter Tränen, in Hoffnungslosigkeit und im Kampf ums Überleben, zogen wir nachts zum Königsberger Hafen. Zwei Schlitten, zwei kleine Körbe, gefüllt mit ein paar Decken, etwas zum Essen und einen kleinen Aktenkoffer, der unser Hab und Gut (alle wichtigen Papiere und ein paar Fotos)  enthielt, war alles, was Mama, Oma und wir sechs Kinder  – 13, 11, 10, 9, 7 und 5 Jahre alt –  von Zuhause mitnehmen konnten.
Geschosse, Granatsplitter, waren unsere ungebetenen Begleiter. Es gab nur noch eins, durchhalten, denn wir mussten den Hafen zu Fuß erreichen.
Das letzte Schiff, ein Militärfrachter, verließ am nächsten Tag den Hafen. Unser Papa kam vom Polizeipräsidium, um uns zu helfen. Mit einem Tau hat er die Körbe, Oma und die kleineren Brüder aufs Schiff gezogen. Der Rest unserer Familie drängte sich über die vereiste Schiffstreppe nach oben. Wir fanden in der untersten, dunklen Luke Platz. Papa blieb zurück; er hatte Einsatz. Weinend verabschiedeten wir uns von ihm, in der Hoffnung, ihn bald wiederzusehen. Noch heute frage ich mich, wie unsere liebste Mama das alles physisch und psychisch durchhalten konnte. Eine starke Frau.

Der große Verlust unserer Heimat, unseres Zuhause, das „Auf nimmer Wiedersehen“, liegt mir immer noch tief in der Seele.

Es vergingen Jahre. Die Hoffnung auf eine Rückkehr ins geliebte Heimatland versank.
Es gab einen Neubeginn ohne Wurzeln.

Kunstturnen und  die in mir versteckten Grundsätze der Philosophie Kants bewegten mich später zu einem neuen  Lebensabschnitt. Meine Fröhlichkeit, Willenskraft und viel Bewegungstalent wurden mir in die  Wiege gelegt. 1947 startete ich nach der Flucht in Lübeck wieder mit der Schule. Hier wurde ich von meiner Turnlehrerin angesprochen: „Lilo, du bist ein Talent“. Schon bald turnte ich meine ersten Wettkämpfe in Lübeck.

1952 siedelten wir nach Köln um.
Meine neue Trainingsstätte fand ich bei der Kölner Turnerschaft von 1843. Nach einiger Zeit war ich  mitten  drin. Training, Ehrgeiz, Fleiß und Mut waren meine Stärken.
Bis zur Reglung des Internationalen Turnerbundes (ITB) turnten wir Wettkämpfe, die der Deutsche Turnerbund (DTB) herausgegeben hatte. Es war dies der deutsche 9-Kampf, bestehend aus den Disziplinen: Geräteturnen, Leichtathletik und Gymnastik.   
Die Trainingsbedingungen und Leistungsanforderungen von damals waren von den heutigen Anforderungen weit, weit entfernt. Beruf und Training gehörten zusammen. Meine berufliche Arbeitszeit (kaufmännische Angestellte bei der Lufthansa) betrug wöchentlich 51 Stunden, plus Überstunden Anfangs trainierten wir abends zweimal wöchentlich 2 Stunden. Später folgten wöchentlich drei Trainingseinheiten in der Sporthochschule Köln, zusätzlich auch Sonntagstraining.                                          
Schon bald startete ich für das NWR-Landes-Kader und erhielt später die Einberufung in das nationale B- Kader. Das Training wurde erhöht. Zusammenzüge in der Deutschen Turnschule Frankfurt, und Trainings in der Sporthochschule Köln. Qualifikations- Wettkämpfe für die Europa-Meisterschaft in Moskau waren ein Hauptziel. Meinen letzten aktiven Wettkampf bestritt ich mit 35 Jahren.

Mein nächstes Ziel aus Berufung und Überzeugung, war Kunstturntrainerin.
Ich absolvierte eine internationale Trainerausbildung in Frankfurt und später in Bukarest und begann mit der Trainertätigkeit beim TSV Heusenstamm in Hessen, neben meiner beruflichen Tätigkeit bei der South African Airways (Stadtbüro-Angestellte in Frankfurt. Die von mir trainierten Turnerinnen erreichten landes- und bundesweit hervorragende Leistungen.

1978 wechselte meine Familie, mein Mann (Schweizer), Sohn Marcus geb.1970 in Köln, Tochter Yvanka  geb. 1972 in Frankfurt und  ich, in die Schweiz. Es folgten weitere berufliche und sportliche Fortschritte, verbunden mit immer mehr Einsatz.
Zu meinen Aufgaben gehörte die Nachwuchsarbeit und Training mit Juniorinnen und Elite. Die internationale Kampfrichter-Lizenz „ Kunstturnen-Frauen“ konnte ich erfolgreich abschließen. Länder-Wettkämpfe,  Europa- und Weltmeisterschaften als Trainerin oder als Kampfrichterin waren  meine Einsätze.

Neben dem Spitzensport habe ich an unserer Schule in Adigenswil Primar- und Sekundarklassen neun Jahre lang Turn- und Sportunterricht erteilt. Mit großer Begeisterung kamen die Schüler und Schülerinnen in die vielseitig gestalteten Turnstunden  Geräteturnen, Leichtathletik, Gymnastik, Tanz und Spiele. Die Schwachen konnte ich motivieren und  ihr  Selbstwertgefühl stärken. Positive Beurteilungen und Lob führten bei ihnen zum Erfolg.

2003 beschloss ich, meinen Beruf als Spitzen-Kunstturntrainerin zu beenden. Die Leistungsanforderungen stiegen und stiegen. Ich konnte den damit verbundenen Druck auf Kinder, auf junge Menschen und auf mich selbst mit  meinem Gewissen nicht mehr vereinbaren. Im  Schweizerischen  Turnverband  –  Geräteturnen –  Breitensport – trainiere  ich heute noch sporadisch  junge Turnerinnen (Kinder) ohne Druck, mit viel Freude an der Bewegung.                                                                                                                                          

Vom Sport zur Philosophie mit Immanuel Kant:
Kant hatte einen schwachen Körper, aber eine sportliche und gesunde Einstellung. Seine täglichen  Spaziergänge – heute würde man sie „Nordic Walking“ nennen – hat Kant konstant durchgezogen,  sicherlich mit einem starken Willen. Er hat sogar eine Schrift mit Ratschlägen verfasst, wie man sich auch im Alter gesund erhalten kann. Sie hat den Titel:
Von der Macht des Gemüts, den bloßen Vorsatz seiner krankhaften Gefühle Meister zu sein

Er schreibt darin von sich selbst, beschreibt seine Selbstbeobachtung, und er fordert seine Leser dazu auf zu prüfen, ob sie ähnliche Erfahrungen gemacht haben wie er. Als Freunde Kants haben wir hier also die einmalige Gelegenheit, Kants Lebensregeln kennenzulernen, nach denen er sich gerichtet hat und die er seinen Freunden – also uns – empfohlen hat. Sehen wir uns einige dieser Regeln an!
Kant äußert sich als erstes zu der Frage, ob man Kopf und Füße warm halten solle.           

“Ich kann der Erfahrung an mir selbst gemäß – der Vorschrift nicht beistimmen: man soll Kopf und Füße warm halten.”
Ich finde es dagegen geratener, beide kalt zu halten (wozu die Russen auch die Brust zählen), gerade der Sorgfalt wegen, um mich nicht zu verkälten. –
Es ist freilich gemächlicher im laulichen Wasser sich die Füße zu waschen, als es zur Winterszeit mit beinahe eiskaltem zu tun; dafür aber entgeht man dem Übel der Erschlaffung der Blutgefäße in so weit vom Herzen entlegenen Teilen, welches im Alter oft eine nicht mehr zu hebende Krankheit der Füße nach sich zieht.”

Meine Erfahrung:
Mützen, Kappen und Hüte kann man sich  heute nicht mehr wegdenken. Ausnahme: Ich trage keine Kappe und keine Mütze. Für die Durchblutung der Füße/Beine bin ich seit Monaten zu einer Erkenntnis gekommen, nachdem ich über Jahre versucht habe, nach dem warmen/heißen Duschen eine eiskalte  Abkühlung  für den  Kreislauf  und  die Durchblutung  zu nehmen. Meistens war es ein Schock, bis ich es  aufgegeben  habe. Meine Neuerkenntnis: Ich setze mich fast  täglich für 7 bis 9 Minuten auf den  Badewannenrand  und starte mit einer eiskalten  Dusche, (mittelstarken Druck) von den Füßen bis zu den Knien. Die Wohltat danach kann man nicht beschreiben. Ich mache es also wie Kant und nehme fast täglich eiskalte Fussbäder.                             
Eine Impfung gegen Grippe  und Medikamente habe ich nie gebraucht und sage: Nein, danke.                         

Kant hat sich auch mit der Frage beschäftigt, wie viel man schlafen soll:

“Es ist wunderlich genug, sich ein langes Leben zu wünschen, um es größtenteils zu verschlafen.
Aber das, worauf es hier eigentlich ankommt, dieses vermeinte Mittel des langen Lebens, die Gemächlichkeit, widerspricht sich in seiner Absicht selbst.
Denn das wechselnde Erwachen und wieder Einschlummern in langen Winternächten ist für das ganze Nervensystem lähmend, zermalmend und in täuschender Ruhe krafterschöpfend: mithin die Gemächlichkeit hier eine Ursache der Verkürzung des Lebens. – Das Bett ist das Nest einer Menge von Krankheiten.”

Ausnahmen bestätigen die Regel. Eine geregelte Zeit des Zubettgehens und Aufstehens ist für Kinder erzieherisch wichtig. Nicht alle Menschen gehen nach der Uhr schlafen (Ausnahmen). Menschen in unregelmäßigen Berufen müssen notgedrungen den Tag zur Nacht umstellen. Wichtig dagegen sind die Stunden, die jeder Mensch für einen gesunden Schlaf und seine Bedürfnisse braucht.
Die innere Uhr kann man einstellen. – Es funktioniert! Meine innere Uhr ist zwischen 7 bis 8 Stunden programmiert.

Ein Nachmittagsschlaf von einigen Stunden ist sehr ungesund. Nicht zu empfehlen.
Im Spitzensport sowie bei mir zuhause bedeutet der Mittagsschlaf nur eine Entspannungsphase von 10 bis 15 Minuten.
Flach in die ausgestreckte Rückenlage legen, Augen schließen, entspannen, und mit geschlossenen Lippen tief ein- und ausatmen. Es ist eine wohltuende,  gesunde Erholung und Entspannung.
Ein Mittagsschlaf im Sessel ist nicht zu empfehlen!
Zu diesem Thema schreibt Kant in seinem Buch noch ausführlicher und tiefer. Im Ergebnis ist er der Meinung, dass man von den 24 Stunden eines Tages nicht mehr als ein Drittel schlafen soll, also nicht mehr als 8 Stunden. So ist es auch bei mir. Ich stimme Kant zu!

Kant stellt die Frage: Hilft es zu einem langen Leben, sich zu pflegen oder pflegen lassen?
“Im Alter sich zu pflegen oder pflegen zu lassen, bloß um seine Kräfte durch die Vermeidung der Ungemächlichkeit (z.B. des Ausgehens in schlimmem Wetter)
oder überhaupt die Übertragung der Arbeit an Andere, die man selbst verrichten könnte, zu schonen, so aber das Leben zu verlängern, diese Sorgfalt bewirkt gerade das Widerspiel, nämlich das frühe Altwerden und Verkürzung des Lebens.”

Wahre Worte  Kants !                                                                

Meine Lebens-Philosophie:
Alt werden wir Menschen alle (mit Ausnahmen). Man muss aktiv bleiben, weiter arbeiten, Dinge selbst tun. Eine gesunde Lebenseinstellung, Fröhlichkeit,  Lachen, sich bewegen, Spaziergänge, Hilfsbereitschaft, positives Denken und Handeln, die Hoffnung nie  aufgeben – das alles kann zu einem langen und gesunden Leben führen. Das war immer meine Einstellung, und bei Kant finde ich sie bestätigt.

Was sagt Kant vom Essen und Trinken?

“Im gesunden Zustande und der Jugend ist es das Geratenste in Ansehung des Genusses, der Zeit und Menge nach, bloß den Appetit (Hunger und Durst) zu befragen;
aber bei den mit dem Alter sich einfindenden Schwächen ist eine gewisse Angewohnheit einer geprüften und heilsam gefundenen Lebensart, nämlich wie man es einen Tag gehalten hat, es ebenso alle Tage zu halten, ein … Grundsatz, welcher dem langen Leben am günstigsten ist; …”

Auch hier wahre Worte. Wenn man jung ist, soll man essen, wenn man Hunger hat. „Fast food“ und zu dicke Kinder gab es zu Kants Zeiten noch nicht. Im Alter soll man sich an regelmäßige Essenszeiten halten.
Zu empfehlen sind kleinere Portionen – wünschenswert „eine gesunde Ernährung“.
Kant stellt auch die Frage, “ob, gleich wie in 24 Stunden nur Ein Schlaf, so auch in eben so viel Stunden nur eine Mahlzeit … verwilligt werden könne, oder ob es nicht besser (gesunder) sei, dem Appetit am Mittagstische etwas abzubrechen, um dafür auch zu Nacht essen zu können. … Das letztere halte ich auch in den sogenannten besten Lebensjahren (dem Mittelalter) für zuträglicher; das erstere aber im späteren Alter.
Denn da das Stadium für die Operation der Gedärme zum Behuf der Verdauung im Alter ohne Zweifel langsamer abläuft, als in jüngeren Jahren, so kann man glauben, dass ein neues Pensum (in einer Abendmahlzeit) der Natur aufzugeben, indessen dass das erstere Stadium der Verdauung noch nicht abgelaufen ist, der Gesundheit nachtheilig werden müsse.
Auf solche Weise kann man den Anreiz zum Abendessen nach einer hinreichenden Sättigung des Mittags für ein krankhaftes Gefühl halten, dessen man durch einen festen Vorsatz so Meister werden kann, dass auch die Anwandelung desselben nachgerade nicht mehr verspürt wird.”

Schon Kant wusste also, dass es nicht gut ist, wenn man abends vor dem Schlafengehen noch eine schwere Mahlzeit zu sich nimmt. Das soll uns aber nicht hindern, heute zu Ehren seines Geburtstags das Bohnenmahl einzunehmen, denn: Ausnahmen bestätigen die Regel!                                                                     

Großen Wert legte Kant auf richtiges Atmen.

Ich war vor wenigen Jahren noch dann und wann vom Schnupfen und Husten heimgesucht, welche beide Zufälle mir desto ungelegener waren, als sie sich bisweilen beim Schlafengehen zutrugen.
Gleichsam entrüstet über diese Störung des Nachtschlafs entschloss ich mich, … mit fest geschlossenen Lippen durchaus die Luft durch die Nase zu ziehen; welches mir anfangs nur mit einem schwachen Pfeifen und, da ich nicht absetzte oder nachließ, immer mit stärkerem, zuletzt mit vollem und freiem Luftzuge gelang, es durch die Nase zu Stande zu bringen, darüber ich dann sofort einschlief. …
Sollte auch nicht die atmosphärische Luft, wenn sie  … bei geschlossenen Lippen zirkuliert, … das erquickende Gefühl gestärkter Lebensorgane bewirken, welches dem ähnlich ist, als ob man Luft trinke; wobei diese, ob sie zwar keinen Geruch hat, doch die Geruchsnerven und die denselben nahe liegende einsaugende Gefäße stärkt?
Bei manchem Wetter findet sich dieses Erquickliche des Genusses der Luft nicht: bei anderem ist es eine wahre Annehmlichkeit sie auf seiner Wanderung mit langen Zügen zu trinken: welches das Einatmen mit offenem Munde nicht gewährt.
Das ist aber von der größten … Wichtigkeit, den Atemzug durch die Nase bei geschlossenen Lippen sich so zur Gewohnheit zu machen, dass er selbst im tiefsten Schlaf nicht anders verrichtet wird, und man sogleich aufwacht, sobald er mit offenem Munde geschieht, und dadurch gleichsam aufgeschreckt wird; wie ich das anfänglich, ehe es mir zur Gewohnheit wurde auf solche Weise zu atmen, bisweilen erfuhr.

Was Kant vor mehr als zwei Jahrhunderten über das richtige Atmen schrieb, wird heutzutage in Yogakursen gelehrt. Yoga war zu Kants Zeiten in Europa völlig unbekannt. Kant ist als tiefer Denker zu ähnlichen Ansichten gekommen wie die indischen Yogalehrer. Als Beispiel dafür will ich aus einem Yoga-Lehrbuch eine Stelle über richtiges Atmen zitieren:

“Atmen ist Leben! Unser Lebensrhythmus kann friedvoll, freudvoll, aber auch hektisch und unkontrolliert sein. Die Kontrolle der Atmung wird uns befähigen, auch zu einem besseren Lebensrhythmus zu kommen. Und dieser Rhythmus kann uns durch nichts genommen werden, wenn wir das Instrument Atmung beherrschen!
Versuchen Sie, sowohl den Vorgang der Einatmung als auch den der Ausatmung fühlbar bewusst zu erfahren und zu gestalten, also sich mit ihm zu identifizieren. Lenken Sie also die Aufmerksamkeit bewusst auf das Einatmen, und erleben Sie, wie der Atem in Sie hineinströmt. Dann atmen Sie langsam und erleben, was sich da vollzieht.” (Yogi Deenbandhu (Detlef Uhle): Yoga für alle. Reinbeck bei Hamburg 1993, S. 28-29)

Als Trainerin im Spitzensport kann ich bestätigen, dass auch im Leistungssport die richtige Atmung wichtig ist. Mundatmung bedeutet Stress. Die Nase ist zum Atmen da. Sie verbessert die Gesundheit, die Nerven werden aktiviert und der Körper wird fit gehalten.

Auch hier hat Kant Recht!

Nachdem ich diesen Aufsatz gelesen habe, empfinde ich mich noch viel mehr als Freundin Kants. Kant ist für mich ein Mensch, der den anderen Menschen seine Erfahrungen weitergeben wollte, um ihnen dadurch zu helfen. Er war ein guter Lehrer und ist es noch. Deswegen freue ich mich, dass wir jedes Jahr zusammen seinen Geburtstag feiern, in seiner Heimatstadt, die auch meine Heimatstadt ist.
Für diesen wunderbaren Menschen I. Kant, ein herzliches DANKE.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

© April 2014 Lilo Oberli-Szardenings

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