Der 295. Geburtstag des Königsberger Philosophen wurde in Kaliningrad so gefeiert, dass fast das Akkordeon riss. Natürlich im philosophischen Sinne.
Immanuel Kant wurde am 22. April geboren. Traditionell beginnen die Feiern an diesem Tag im Dom auf der Kant-Insel. Unter den Deckengewölben, die an den großen Denker erinnern, erklangen Reden und die Orgel und sorgten für eine philosophische Stimmung. Danach wurden Blumen an seinem Grab niedergelegt. Und dann gingen alle zum Bohnenmahl in das „Grand Hall“.
Diese Tradition ist über 200 Jahre alt. Kant saß gern in guter Gesellschaft am Tisch und führte ungestörte Gespräche. Im Jahr 1805, ein Jahr nach seinem Tod, beschlossen seine Freunde, die „philosophischen Tischgesellschaften“ an jedem 22. April fortzusetzen. Dabei sollte immer irgendein wichtiges Thema besprochen werden. Im Jahr 1814 schlug der Astronom Friedrich Wilhelm Bessel eine originelle Methode vor, um zu bestimmen, wer im nächsten Jahr der Sprecher sein würde. Seitdem wurde in die Torte, die man am Ende servierte, eine Silberbohne eingebacken. Wer sie bekommt, ist der Bohnenkönig, der das Thema des nächsten Treffens bestimmt und einen Vortrag vorbereitet. So wurde die Gesellschaft der Freunde Kants Bohnengesellschaft genannt und das Festessen am Geburtstag des Philosophen Bohnenmahl.
Vor einem Jahr fand sich die Bohne auf dem Teller der Vorsitzenden des regionalen gemeinnützigen Kulturfonds Nina Peretyaka. Ihre Rede nannte die Bohnenkönigin „Eine Zeitreise mit Kant“ und bezog sich damit auf das Phänomen des Philosophen, der Königsberg und Kaliningrad vereint und so Vergangenheit und Gegenwart verbindet. Und am Ende ihrer Rede betrat der Held des Abends plötzlich selbst die Halle. Ja, nicht nur er – zusammen mit dem russischen Historiker Nikolai Karamsin.
Solche Überraschungen gab es beim Bohnenmahl bisher noch nicht. Die historische Inszenierung war der Höhepunkt des Programms. Und ein klares Beispiel dafür, worüber die Vortragende redete.
Das Kunstprojekt „Teetrinken mit Karamsin“ hat der Kaliningrader Kulturfonds mit Unterstützung des Präsidialen Förderfonds umgesetzt. Das gesamte „Teetrinken“ wurde am 26. Februar im Dramentheater gezeigt. Am 22. April präsentierten die Schauspieler Oleg Yakovenko (Kant) und Andrei Varenitsyn (Karamsin) eine kurze Version des Treffens dieser beiden historischen Persönlichkeiten in Königsberg im Juni 1789. Alles wurde authentisch, lebendig und mit Humor vorgetragen. So teilt Karamsin zum Ende seinen Eindruck von Kant mit:
– Alles an ihm ist einfach, außer… seiner Metaphysik!
Und der Saal verfiel lachend in Applaus.
Auch Anastasia Tatarinova, eine Schülerin der Regionalen Rachmaninow-Musikhochschule, spielte glänzend. Sie spielte so leidenschaftlich Akkordeon, dass selbst die hungrigsten Zuschauer mit dem Essen warteten. Es wurde erwähnt, dass jetzt auch Wolf Sebastian Töttcher Anastasia inspiriert. Letztes Jahr trat der berühmte Musiker aus Deutschland selbst beim Bohnenmahl auf. Zu dieser Zeit begann seine Freundschaft mit unserer Musikhochschule, an der er begann, Meisterklassen zu geben. Und Herr Töttcher hörte mit offensichtlicher Freude die Musik von Anastasia an.
Ein weiterer wichtiger Moment des Bohnenmahls war die Überreichung einer seltenen Kant-Ausgabe an das Weltozean-Museum. Bekanntermaßen ist der Bau eines neuen Museumsgebäudes, „Planet Ozean“, im Gange. Die Direktorin des WOM Svetlana Sivkova sagte, sie habe einen Traum gehabt – im zukünftigen Kugel-Gebäude sollte an einem ehrenvollen Platz Kants Physische Geografie ausgestellt werden.
– Dies ist schließlich das Thema unseres Museums, – sagte Svetlana Sivkova. – Ich wollte aber nicht nur ein Buch ausstellen, sondern eine Ausgabe, die noch zu Kants Lebzeiten veröffentlicht wurde. Aber woher bekommt man so eine Seltenheit?
Der Vorsitzende der internationalen Gesellschaft „Freunde Kants und Königsbergs“ Gerfried Horst half aus. Es gelang ihm, die Physische Geografie Kants zu erhalten, die 1801 veröffentlicht wurde! Und am 22. April händigte er diese Rarität feierlich Svetlana Sivkova aus.
Einer der Ehrengäste des Abends war der Generalkonsul Deutschlands in Kaliningrad, Michael Banzhaf. Seine Dienstzeit bei uns endet; in naher Zukunft wird er in ein anderes Land gehen müssen. Der Generalkonsul hörte viele herzliche Worte von den Anwesenden. Insbesondere wurde ihm für die Unterstützung der jährlichen Kant-Treffen gedankt. Als Antwort darauf gab er zu, dass er in Kaliningrad viel Neues über Kant gelernt habe. Und er drängte darauf, alle Anstrengungen zu unternehmen, um sicherzustellen, dass in fünf Jahren der 300. Geburtstag des Philosophen würdig gefeiert werde. Darüber sprach auch Boris Bartfeld, der Vorsitzende der Kaliningrader Sektion des Russischen Schriftstellerverbandes und der Gesellschaft der „Freunde des Bohnenkönigs“, die auf unserer Seite die Kant-Treffen organisiert.
Abschließend gab es wie erwartet den „Kuchen mit Geheimnis“. Und diesmal erwischte die Silberbohne die Gabel des Studenten Hannes Wiesel – Teilnehmer des Jugendworkshops, der dieses Jahr im Rahmen der Kant-Reise erstmalig stattfand. Das Hauptthema des Jugendprogramms: „Auf den Spuren Kants in Kaliningrad – eine russisch-deutsche Annäherung“. Im Herbst versammeln sich die Teilnehmer in Berlin und präsentieren das erste Ergebnis ihrer gemeinsamen Arbeit. Uns wird eine interaktive Karte von „Kant-Orten“ versprochen, die anschließend im Internet veröffentlicht wird.
Aber worum es in der „Thronrede“ des neuen Bohnenkönigs geht, erfahren wir erst in einem Jahr.
Quelle: «Комсомольская Правда», Владислав Ржевский «На ужин в честь Канта неожиданно пожаловал виновник торжества. URL: https://www.kaliningrad.kp.ru/daily/26969/4026210/
Übersetzung: Greta Zeuner
© 2019 Vladislav Rzhevskij