Vom 18. bis 22. April finden in der Kaliningrader Oblast internationale Kant-Tage statt. Das bereits zum 12. Mal. Und wie immer sind sie nicht nur für Philosophen von Interesse.
Vladislav RZHEVSKIJ
Organisator der jährlichen Reisen zu den Kant-Orten ist die Gesellschaft „Freunde Kants und Königsbergs e.V.“, deren Mitglieder aus verschiedenen Winkeln der Welt kommen.
„Der wichtigste Tag in unserem Kalender ist natürlich der 22. April“, sagt Gerfried Horst, Vorsitzender der Gesellschaft. Das Programm ist jedoch nicht auf Kants Geburtstag beschränkt.
So findet am 19. April im Museum für Kunst und Geschichte der Oblast (Anm. d. Übers.: ehemalige Königsberger Stadthalle) eine wissenschaftlich-praktische Konferenz statt. Gesprochen wird über die Königsberger Freimaurerei, die Ikonographie historischer Persönlichkeiten am Beispiel von Porträts von Immanuel Kant, darüber, was Kant über Russland wusste, und die Bedeutung seines ersten Werkes „Gedanken von der wahren Schätzung der lebendigen Kräfte“ (in diesem Jahr jährt sich der 270. Jahrestag der Veröffentlichung).
Am 20. April werden die Bewunderer des Philosophen in das Dorf Wessjolowka im Kreis Tschernjakhovsk reisen, um an der Wiedereröffnung des „Kant- Hauses“ teilzunehmen. In Wirklichkeit ist das alte Gebäude das ehemalige Haus des Pastors (von Judtschen, Anm. d. Übers.), in dem der große Denker drei Jahre lang lebte und die Kinder seines Gastgebers unterrichtete. Nach der Renovierung wurde hier im August 2018 ein Museum eröffnet. Allerdings wurde es bereits im Dezember – im Zusammenhang mit der Übertragung auf einen neuen Eigentümer – geschlossen. Anstelle des Museums für Kunst und Geschichte wurde das Dom-Museum auf der Kant-Insel zum Kurator des Objektes in Wessjolowka. Die Teilnehmer der Kant-Reise bewundern nicht nur die erneuerte Ausstellung, sondern überreichen auch Geschenke, die zu Museumsexponaten werden sollen. Insbesondere überreichen die Gäste seltene Ausgaben von Kants Werken.
Am 21. April fahren die Teilnehmer der Reise auf einem kleinen Dampfer von Baltijsk nach Kaliningrad und gedenken auch damit des Philosophen. Bekanntlich war dieser ein hoffnungsloser Stubenhocker. Eines Tages entschied er sich jedoch, auf dem Wasserweg von Pillau nach Königsberg zu fahren – und litt um der Wissenschaft willen: „Die Seekrankheit (von welcher ich selbst in einer Fahrt von Pillau nach Königsberg eine Erfahrung gemacht habe, wenn man anders dieselbe eine Seefahrt nennen will) mit ihrer Anwandlung zum Erbrechen kam, wie ich bemerkt zu haben glaube, mir blos durch die Augen; da, beim Schwanken des Schiffs aus der Kajüte gesehen, mir bald das Haff, bald die Höhe von Balga in die Augen fiel und das wiederkommende Sinken nach dem Steigen vermittelst der Einbildungskraft durch die Bauchmuskeln eine antiperistaltische Bewegung der Eingeweide reizte.“
Am 22. April, dem Tag von Kants 295. Geburtstag, beginnen um 15.30 Uhr in der Kathedrale die Feierlichkeiten zu seinen Ehren. Traditionell sind unter den alten Gewölben weise Worte und schöne Musik zu hören. Um 17.30 Uhr werden an Kants Grab Blumen niedergelegt. Und anschließend findet im „Grand Hall“ die Sitzung der „Bohnengesellschaft“ statt.
Erinnern wir uns an die Geschichte dieser Tradition. Kant aß gerne in Gesellschaft zu Mittag und führte dabei entspannt Gespräche. 1805, ein Jahr nach seinem Tod, beschlossen seine Freunde, diese „philosophische Tischrunde“ fortzusetzen. Jedes Jahr am 22. April trafen sie sich nicht nur, um sich an den „alten Immanuel“ zu erinnern, sondern auch, um zu diesem Anlass ein aktuelles Thema zu diskutieren. 1814 schlug der Astronom Friedrich Wilhelm Bessel eine originelle Idee vor, um zu ermitteln, wer der Referent sein sollte. In den zum Nachtisch gereichten Kuchen wurde eine Silberbohne eingebacken. Wer diese bekommt, ist der neue Bohnenkönig, der das Thema des nächsten Treffens bestimmt und einen Vortrag vorbereitet. So begann man, die Gesellschaft der Freunde Kants „Bohnengesellschaft“ zu nennen und das Festessen am Geburtstag des Philosophen „Bohnenmahl“.
Vor einem Jahr wurde die Bohne von Nina Peretyaka, der Vorsitzenden der regionalen gemeinnützigen Kulturstiftung, auf ihrem Teller entdeckt. Diesmal wird also sie die „Bohnenrede“ halten. Der Inhalt der Rede wird in der Regel bis zum Schluss geheim gehalten. Natürlich hat die „Komsomolka“ (Name der Zeitung, Anm. d. Übers.) bereits alles herausgefunden. Aber um den Anlass nicht zu stören, werden wir den Schleier der Geheimhaltung jetzt nur leicht öffnen. Die Bohnenkönigin wird das Thema der Reisen fortsetzen, nur nicht auf dem Wasser, sondern in der Zeit. Und am Ende der Rede wird es für alle eine Überraschung geben, wie es sie noch nie zuvor beim Bohnenmahl gegeben hat.
Quelle: «Комсомольская Правда», Владислав Ржевский «В канун 295-летия Канта его почитатели сядут на «философский пароход». URL: https://www.kaliningrad.kp.ru/daily/26968/4024164/
Übersetzung: J. Magnus Obermann
© 2019 Vladislav Rzhevskij