Die diesjährige Kant-Reise beinhaltete gleich mehrere Prеmieren: So war sie mein erster Besuch im wunderschönen Kaliningrad, in das ich schon länger einmal reisen wollte, und auch der begleitende Jugendworkshop „Auf den Spuren Kants in Kaliningrad“ fand in diesem Jahr erstmalig statt.
Das Russland-Fieber packte mich während meines zweisemestrigen Auslandsaufenthaltes an der Linguistischen Universität Nischni Nowgorod, an der ich 2017/18 ein Jahr lang internationale Beziehungen studierte. Sehr schnell verfiel ich nicht nur dem Charme der Stadt, sondern vor allem der herzlichen Offenheit der Russen und Russländer und der interessanten und einzigartigen Geschichte des Landes. Daher begann ich, in alle Ecken und Winkel Russlands zu reisen, um möglichst viele russländische Völker und Kulturen kennenzulernen. Eins der wenigen Ziele, die ich hierbei bislang nicht ansteuern konnte, war Kaliningrad – somit ehrte es mich sehr, dass ich zum Jugendworkshop eingeladen wurde.
Bereits beim Umsteigen am Flughafen in Warschau trafen einige Teilnehmer der Kant-Reise aufeinander. Sofort herrschte herzliche und offene Stimmung und ich konnte bereits viele interessante Menschen kennenlernen. Dieses Gefühl setzte sich nach dem Abendessen in Kaliningrad fort, als die jungen Teilnehmer des Workshops sich erstmalig zum Kennenlernen und Brainstormen trafen.
Auch am nächsten Tag sollte es so weitergehen. Während der fast ganztägigen ausführlichen Stadtrundfahrt boten sich nicht nur viele Gelegenheiten, die Stadt und ihre Geschichte näher kennenzulernen, sondern auch erneut mit den bunt gemischten, jedoch durchweg interessanten und sehr netten Teilnehmern des Workshops und der Kant-Reise ins Gespräch zu kommen.
Am Nachmittag des zweiten Seminartages kamen die Workshop-Teilnehmer erneut zu einem Brainstorming zusammen, bevor am Abend ein Abendessen mit dem deutschen Generalkonsul in Kaliningrad Dr. Michael Banzhaf und Prof. Dr. Alexei Krouglov folgte. Hierbei erfuhren wir mehr über die Verbindung der Stadt Kaliningrad mit dem Philosophen Kant und konnten den beiden Fragen stellen.
Ich persönlich bekam mit jedem Tag und jedem Programmpunkt mehr Einblicke dahinter, wie sehr das heutige Kaliningrad noch mit dem damaligen Königsberg, in dem Kant lebte, und dem Philosophen selbst verbunden ist. Hierzu trugen die Vorträge und Führungen bei, die auf dem Programm standen, vor allem half mir hierbei jedoch der Austausch mit den jungen Kaliningrader Studenten, die am Workshop teilnahmen. Auch in den nächsten Tagen sollte ich noch interessante Gedanken und Meinungen von ihnen über das Leben in Kaliningrad und mit Kant auswechseln.
Für die nächsten zwei Seminartage waren Ausflüge in die Region Kaliningrad nach Wesselovka (früher Judtschen) und Baltijsk (früher Pillau) geplant – beides Orte, an denen Kant gewesen ist. Ich fand es spannend, auch die Region Kaliningrad und nicht nur die Hauptstadt kennenzulernen. Vor allem überraschte mich, wie sehr auch kleine Orte fernab der Hauptstadt noch mit Kant verbunden sind und sich auf seinen 300. Geburtstag in fünf Jahren und das damit verbundene Kant-Jahr vorbereiten.
Durch einen abendlichen Spaziergang im Zentrum Kaliningrads mit Viktor Haupt, der uns die Spuren Kants zeigte, bekam ich immer mehr ein Bild davon, wie Kant in Königsberg gelebt hat. Wir besuchten beispielsweise die Stelle, wo einst sein Geburtshaus stand, und erfuhren viel über das alte Königsberger Schloss. Diese kleine Stadtführung war sehr hilfreich, um die einzelnen Puzzleteile über Kants Leben, die ich in den letzten Tagen gesammelt hatte, zusammenzusetzen. Beim Abendessen u. A. mit Prof. Dr. Dirk Hagen konnten wir erneut interessante Persönlichkeiten kennenlernen, uns über die Region austauschen, viele Fragen stellen und mehr über das Leben in einer Exklave erfahren. Anschließend ging es für einige Teilnehmer noch in eine Bar, in der wir viel Spaß hatten und außerhalb des Seminarprogramms Freundschaften knüpften.
Das absolute Highlight der Kant-Reise stellten natürlich die Feierlichkeiten zum 295. Geburtstag des Philosophen am Ostermontag, gleichzeitig der letzte Tag der Reise, dar.
Am Morgen hatte ich zunächst die tolle Gelegenheit, gemeinsam mit Gerfried Horst bei einem lokalen Radiosender ein Interview auf Russisch zu geben und über die Inhalte unserer Workshops sowie mein großes Interesse an der russischen Sprache, Kultur und Geschichte zu sprechen.
Anschließend trafen sich die Teilnehmer des Jugendworkshops, um den Termin für den Gegenbesuch in Berlin sowie die Themenverteilung für das Projekt, das bei ebendiesem entstehen soll, festzulegen. Die 12 jungen Teilnehmer treffen sich Anfang Oktober in Berlin, um eine interaktive Stadtkarte Kaliningrads zu erstellen, auf der alle wichtigen Orte des Lebens Kants dargestellt und erklärt sind. Ich freue mich bereits, die Teilnehmer wiederzusehen, unseren interessanten Austausch fortzuführen und den russischen Teilnehmern Berlin zu zeigen.
Anschließend besichtigten wir das Kant-Museum im Königsberger Dom, welches erneut interessante und wichtige Puzzleteile zu meinem Bild von Königsberg und Kaliningrad hinzufügte. Am meisten beeindruckt im Museum hat mich das Stadtmodell von Königsberg: Man konnte deutlich das heutige Kaliningrad in ihm sehen mit dem Dom, dem „Fischdorf“, den Inseln – und doch war es damals eine ganz andere Stadt, die leider zu großen Teilen zerstört wurde.
Am Nachmittag begann der Festakt im Dom zu Ehren des Philosophen. Es war eine große Ehre für mich, daran teilzunehmen. Besonders die Blumenniederlegung am Kant-Grab rührte mich sehr und war ein besonderer Moment, den ich sicherlich nie vergessen werde. Auch das abendliche „Bohnenmahl“ wird mir in guter Erinnerung bleiben. Ich finde es toll, dass die 1805 von William Motherby begründete Tradition, dass Kants Freunde an seinem Geburtstag zu einem Festmahl zusammenkommen, das auf Vorschlag von Friedrich Wilhelm Bessel seit 1814 „Bohnenmahl“ heißt (hier), bis heute fortgeführt wird, und hoffe, dass sich mir noch einmal die Gelegenheit bieten wird, am Bohnenmahl teilzunehmen.
In einer Bar ließen die Workshop-Teilnehmer den Abend und die Reise ausklingen. Der Abschied fiel mir nicht nur von ihnen schwer – auch Kaliningrad hat mir sehr gut gefallen und es wird gewiss nicht meine letzte Reise in diese interessante russische Region gewesen sein. Ich danke den Freunden Kants und Königsbergs – besonders Gerfried Horst, Marianne Motherby, Svetlana Kolbanjova und Hannes Wiesel – herzlich für diese einmalige Gelegenheit und bin sehr froh, dass ich am Jugendworkshop teilgenommen habe. Das historische Wissen und die Freundschaften, die ich durch die Kant-Reise und den Workshop erlangt und geknüpft habe, werden mich noch lange begleiten.
© 2019 Greta Zeuner