Kant-Orte

„Komsomolka“ über den „Kant-Kahn“ Vladislav Rzhevskij

In Wesselowka wird der „Kant-Kahn“ zu Wasser gelassen.

Die Familie Loyal, die im 18. Jahrhundert ihren Weg in die Biographie des großen Philosophen fand, schenkt dem „Kant-Haus“ ein ungewöhnliches Exponat.

Ein altes Haus im Dorf Wesselowka (ehemals Judtschen) im Bezirk Tschernjachowsk ist, wir erinnern uns, als dasjenige anerkannt, in dem Immanuel Kant drei Jahre lang als Lehrer für die Kinder des örtlichen Pastors lebte. Lange Zeit war das Haus verkommen und zerfiel. Doch am 1. August 2016 stellte der russische Präsident 46 Millionen Rubel aus seinem Reservefonds für die Errichtung eines Museums in Wesselowka zur Verfügung, und am 16. August 2018 empfing das „Kant-Haus“ seine ersten Besucher.

Und am 8. Juni kommt eine ganze Delegation aus Deutschland hierher – Vertreter der Familie Loyal. In Wesselowka wird ein ungewöhnliches Exponat feierlich an das Museum übergeben: Die deutschen Gäste haben beschlossen, dem „Kant-Haus“ einen Kahn zu schenken. Aber nicht irgendeinen, sondern einen historischen. Einen, wie sie einst auf dem Fluss Angerapp (heute Angrapa) fuhren. Und genau auf solchen Booten wurde der spätere große Philosoph von Ufer zu Ufer gebracht.

Der Initiator dieses Projekts ist Mitglied der internationalen Gesellschaft „Freunde Kants und Königsbergs“, Dr. Dierk Loyal aus der Stadt Schwalbach. Seine Vorfahren lebten in Judtschen, wo sie ab 1712 die ländliche Fähre besaßen.

Der Fährmann Samuel Loyal (1693-1765) brachte Kant über den Fluss. Er war der Älteste der Kirchengemeinde. So sprach Samuel mit dem Philosophen nicht nur bei Flussüberquerungen, sondern auch bei Festen im Haus von Pastor Andersch und bei Sonntagsgottesdiensten.

Zusätzlich zur Fähre besaß die Familie Loyal Fischereirechte. Wenn man in der Familie Andersch deshalb Kant Fisch zum Mittagessen servierte, war dies ein Fang aus dem heutigen Fluss Angrapa, und jemand aus der Familie Loyal hatte ihn gefangen.

Diese Familie hat sich also generell in Kants Biographie eingeschrieben.

Die Idee, dem Museum in Wesselowka eine Kopie des Kahns zu spenden, mit dem Kant fuhr, ist hervorragend. Aber wie baut man einen solchen Kahn? Zum Glück gibt es in der Großfamilie Manfred Loyal. Der gebürtige Ostpreuße war der letzte der Schiffer des Flusses Angerapp. Außerdem besitzt er Zeichnungen des Bootes, auf dem sie damals fuhren, und von Beruf ist er Tischlermeister. Und bei alledem wollte er unbedingt noch einmal auf dem Fluss seiner Kindheit fahren…

Das Boot wurde in der Stadt Wuppertal gebaut, in der Manfred Loyal lebt, und befindet sich jetzt bereits in Wesselowka. Am 8. Juni um 15 Uhr wird der Kahn hier symbolisch zu Wasser gelassen. Die Zeremonieteilnehmer „weihen“ das Boot im Wasser des Angrapa und gehen anschließend zum „Kant-Haus“. Nach dem Museumsbesuch besprechen die Gäste und Gastgeber beim Tee die weitere Zusammenarbeit.

Zur Zeremonie werden zwei Dutzend Nachkommen der Fährleute und Fischer des ehemaligen Judtschen erwartet. Und neben dem Bootsbauer wird ein weiteres altes Familienmitglied teilnehmen: Christel Didt (geborene Loyal). Am 9. Juni kommt die Familiendelegation erneut nach Wesselowka. Christel Didt und Manfred Loyal wollen eine Exkursion führen und ihren jüngeren Verwandten die Vorkriegsgeschichte des Dorfes erzählen.

Das Objekt in Wesselowka ist, wie wir uns erinnern, dem Dom auf der Kant-Insel in Kaliningrad „zugeordnet“, in der ein dem Philosophen gewidmetes Museum eingerichtet wurde. Marina Yadova, die stellvertretende Direktorin des Doms und Leiterin des Museums, nimmt das Geschenk, den „Kant-Kahn“, entgegen. Doch wo wird das neue Exponat platziert? Immerhin beträgt seine Länge fast vier Meter, seine Breite einen Meter, seine Höhe 60 Zentimeter und sein Gewicht 200 Kilogramm. Die Museumsräume reichen für solche Dimensionen eindeutig nicht aus.

Laut Marina Yadova wird das Boot nicht im Gebäude ausgestellt, sondern daneben. Offenbar wird dies eine vorübergehende Unterbringung sein. Jetzt überlegen Museumsmitarbeiter, wie sie das neue Ausstellungsobjekt am besten in das Gelände um das „Kant-Haus“ einfügen können, das, wie wir anmerken, ebenfalls gerade ausgebaut wird.

Eigentlich steht auch das junge Museum selbst noch am Anfang ruhmreicher Taten.

„Wir schreiben noch an seinem Konzept“, sagte Marina Yadova, „es soll bis zum Herbst fertig sein.“

Selbstverständlich wird das Museum in Wesselowka von Kant als Lehrer erzählen. Es ist jedoch notwendig, auch eine Vorstellung der Familie zu geben, in der er lebte, und von dem Ort, an dem der zukünftige Professor die ersten Schritte auf seinem pädagogischen Weg unternahm. Es soll also auch eine Abteilung geben, die der Geschichte des Dorfes gewidmet ist.

Die Familie Loyal ist bereit, das Museum weiterhin bei dieser Arbeit zu unterstützen.

Quelle: «Комсомольская Правда», Владислав Ржевский В Веселовке спустят на воду «кантовскую лодку». URL: https://www.kaliningrad.kp.ru/daily/26986/4047398/

Übersetzung: Greta Zeuner

© 2019 Vladislav Rzhevskij

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