An dieser Stelle stand ich erstmals im Herbst 1941 und später mehrmals als Student der Albertina anlässlich von Ehrungen Kants am Tage seines Geburtstages. Der Zutritt erfolgte damals über den Hof des Kneiphöfschen Gymnasiums, und rückwendend erblickte man die Gebäude der alten Universität, an der Kant einst studierte und lehrte.
All das eingeschlossen von altehrwürdigen barocken Bauten aus der Zeit um die Wende des 18. Jahrhunderts, die besonders den Kneiphof auf dieser Dominsel geprägt haben – ein Kulturdenkmal aus der Zeit des Deutschen Ordens. Diese Gebäude wären alle – ebenso wie schon der Dom – ein Wiedererstehen wert. Als ich im Herbst 1988 auf Einladung der hiesigen Universität – also nach 44 Jahren seit meinem Abschied von Ostpreußen im Jahre 1944 – erneut diesen ehrwürdigen Platz besuchen durfte und gemeinsam mit Prof. Kalinnikov am Kenotaph einen Kranz niederlegte, fand ich auf dieser Dominsel nur noch die Domruine vor, sowie die Denkmaler des Begründers der freien evangelisch-katholischen Gemeinde, Julius Rupp und des deutschen Dichters Walther von der Vogelweide. Ich war tief betroffen und tief bewegt.
Heute bin ich wiederum tief bewegt, aber auch sehr dankbar, dass ich den Wiederaufbau des Doms erleben durfte und von der herrlichen Orgel dieses neu erstandenen Doms mit einem ,,gaudeamus igitur” begrüßt wurde. Hier kann ich feststellen, dass die Menschen dieser Stadt Kant gleichermaßen verehren wie wir Studenten und die Bevölkerung der Stadt damals.
Sie, lieber Herr Kollege Kalinnikov, haben hier und heute wiederum mit unserem gemeinsamen Auftreten an der Kant gewidmeten Gedenkstätte deutlich dokumentiert, dass der deutsche Philosoph, dessen Namen die Universität heute trägt, durch seine großartige Persönlichkeit und durch seine Lehre fortwirkt für die Erkennung und Realisierung von Gemeinsamkeiten unserer Völker.
Ich bin stolz auf Immanuel Kant – ich bin stolz auf meine Universität — ich danke Ihnen persönlich und allen, die hier versammelt sind, für ihr Verständnis und für Ihre Freundschaft. Zum Abschluss dieser denkwürdigen Veranstaltung erlauben Sie mir bitte, Kant persönlich sprechen zu lassen: „ Reich ist man nicht durch das, was man besitzt, sondern mehr noch durch das, was man mit Würde zu entbehren weiß – und es könnte sein, dass die Menschheit reicher wird, indem sie ärmer wird, und gewinnt, indem sie verliert.”
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
© April 2011 Prof. Dr. Jürgen Lebuhn