In unmittelbarem Anschluss an die zweite, erweiterte Auflage von Kants Schrift Zum ewigen Frieden, deren erste Auflage aus dem Jahre 1795 bereits in wenigen Monaten vergriffen war, erschien 1796, ebenfalls bei Nicolovius in Königsberg, eine anonyme französische Übersetzung mit dem Titel Projet de paix perpétuelle. Diese wurde noch im selben Jahr von dem Pariser Verlag Jansen et Perronneau nachgedruckt und im Magazine Encyclopédique als « unter den Augen des Autors verfasst » angekündigt (S. 113), sowie von dem seit 1794 nach Frankreich geflüchteten deutschen Jacobiner Anton Keil ausführlich kommentiert (S. 310-325). Der Vorgang ist umso bemerkenswerter, als die Kritik de reinen Vernunft erst 1835 ins Französische übersetzt wurde. Er erklärt sich durch die weitgehend politisch motivierten Bemühungen einer Reihe deutscher Emigranten, die von Kant eingeleitete « kopernikanische Wendung » des philosophischen Denkens, welche auf französisch durch « révolution copernicienne » wiedergegeben wird, als deutsche Parallele zur französischen Revolution darzustellen. Dies geht deutlich aus den seit März 1795 in der Zeitschrift Le Moniteur abgedruckten Leserbriefen und der ebendort am 3. Januar 1796 von Ludwig Ferdinand Huber anonym veröffentlichten Zusammenfassung der « Friedensschrift » hervor. In diesen Zusammenhang gehört auch der wiederholte Versuch, einen direkten Kontakt zwischen Kant und dem in den revolutionären Verfassungsdebatten wortführenden Abt Siéyès herzustellen. So schreibt beispielsweise Karl Wilhelm Théremin, ein junger preussischer Diplomat, der in den Dienst der Republik übergewechselt war und im Salon von Siéyès eine gewisse Rolle spielte, am 1. Januar 1796 an seinen Bruder Anton Ludwig Théremin, der als reformierter Prediger in Memel wirkte, er solle den Versuch unternehmen, eine Korrespondenz zwischen Kant und Siéyès in die Wege zu leiten. Der Vorschlag wurde Kant am 6. Februar unterbreitet, hatte aber offensichtlich nicht den gewünschten Erfolg. Um den Gerüchten über seine Beziehungen zu Siéyès ein Ende zu setzen, liess Kant am 7. März in den Königsbergischen Gelehrten und Politischen Zeitungen ein ausdrückliches Dementi abdrucken. Insofern ist das unter dem Titel « Antwortschreiben des Professors Kant in Königsberg an den Abt Siéyès in Paris 1796. Aus dem lateinischen Originaleübersetzt. » in Umlauf gebrachte Elaborat mit Sicherheit eine Fälschung. Unter den hinterlassenen Papieren von Siéyès ist übrigens vor einiger Zeit eine von Karl Wilhelm Théremin hergestellte französische Nachschrift der Antwort Kants an Karl Ludwig Théremin vom 9. März 1796 entdeckt worden, in der Kant ihn bittet, dem Abt Siéyès seine Vorstellungen hinsichtlich des « rein literarischen » Projekts, seine Werke in Frankreich bekannt zu machen, zu übermitteln. In der Liste der Werke, deren Übersetzung Kant nahelegt, fehlt allerdings die Schrift Zum ewigen Frieden. Möglicherweise lässt sich diese Auslassung als Indiz dafür interpretieren, dass die Übersetzung « unter den Augen des Autors » bereits im Gange war. Es ist überdies durchaus denkbar, dass Kant von der Vermittlungsinitiative eines anderen Grenzgängers wusste, der am 10. Januar 1796 Siéyès eine komprimierte französische Fassung des Textes geschickt hatte. Es handelt sich um Karl Friedrich Reinhard, der als französischer Botschafter bei den Hansestädten akkreditiert war und dessen Sendung im Nachlass von Siéyès wiederaufgetaucht ist. All das fand in dem Milieu der Kantverehrer ein unmittelbares Echo. So berichtete Sophie Reimarus schon am 26. Januar in einem Brief an Karl Leonhard Reinhold, seit 1794 Professor für Philosophie in Kiel, von den Vorteilen dieser dem französischen Geschmack angepassten Version, die viel leichter zu lesen sei als das Original, und bittet ihn, Kant über die Existenz des Manuskripts zu informieren. Doch trotz der vielfältigen, zum Teil rührenden Bemühungen, die politische Relevanz der Friedensschrift den Franzosen nahezubringen, blieb die Reaktion der Pariser Intellektuellen insgesamt enttäuschend. Daran vermochte auch die Veröffentlichung der autorisierten Übersetzung nichts zu ändern. Im Gegenteil. Die Gründe der anhaltenden Rezeptionssschwierigkeiten lagen ebensosehr im theoretischen Ansatz der Transzendentalphilosophie wie in der mit ihm eng verknüpften Eigenart der kantischen Ausdrucksweise. In seiner Vorstellung der im Journal d’économie publique vom 11. Oktober 1796 (S. 232-244) abgedruckten « Observations sur le projet de paix perpétuelle d’Emmanuel Kant » von Adrien de Lezay-Marnésia, einem Absolventen der Ecole Polytechnique und späteren Präfekten Napoleons, schrieb der Chefredakteur Pierre-Louis Roederer : « Unser junger Schriftsteller hat es verstanden, die Ideen des Philosophen von der ganzen sie entstellenden Scholastik zu reinigen ». Die Absicht, den Zugang zum Denken Kants durch terminologische Vereinfachung zu ebnen, war gewiss gut gemeint. Aber gerade damit wurde die Kluft zwischen dem eleganten, alle sperrigen Selbstwidersprüche souverän überspielenden Sprachgestus des kultivierten Franzosen und dem auf höchste Präzision abzielenden Schreibstil des deutschen Philosophen nur noch verbreitert. Wilhelm von Humboldt musste sich von diesen Tatbestand schmerzliche Rechenschaft geben, als er auf Einladung von Siéyès vor einem repräsentativen Parterre « Pariser Gelehrter » über Kants Werk zu referieren versuchte. In einem Brief an Schiller vom 23. Juni 1798 konstatierte er die Unmöglichkeit, hier eine Brücke schlagen zu wollen, ohne auf die radikale Verschiedenheit der Sprachgewohnheiten einzugehen und auf dem Wege eines vergleichenden Sprachstudiums die jeweiligen Kommunikationshindernisse zu reflektieren. Aus dieser Einsicht heraus schrieb schliesslich Johann Gottfried Kiesewettter am 23. November 1798 an Kant, dass noch alles zu tun bleibe, um die « eklen Pariser » von der Geniessbarkeit seiner philosophischen Prosa zu überzeugen.
Es würde zu weit führen, in diesem Zusammenhang auf die systematischen Verständnisprobleme einzugehen, die sich aus der ersten Übersetzung eines kantischen Textes ins Französische geradezu automatisch ergeben haben. Ich hatte Gelegenheit, sie in meinen Anmerkungen zur Werkausgabe bei den Editions de la Pléiade (Paris 1986) ausführlich zu kommentieren. Stattdessen mag ein eher anekdotisches, wenngleich an prominenter Stelle angesiedeltes Beispiel deutlich machen, wie schwer es ist, dem semantischen Gehalt bestimmter Wendungen bei der Übertragung aus der einen in die andere Sprache gerecht zu werden. Der Titel Zum ewigen Frieden wird gemeinhin auf französisch durch die erweiterte Formulierung « Projet de paix perpétuelle » wiedergegeben. Die Vermutung, dass es sich um ein « Projekt » handelt, beruht auf der geläufigen Bedeutung der Präposition « zu », die sich mit « in Richtung auf » umschreiben lässt. Daher schlagen manche Übersetzer neuerdings vor, das Substantiv « Projet » gegen die Präposition « vers » auszutauschen und damit die Denkbewegung des Textes als Schritte auf dem Wege zum ewigen Frieden zu kennzeichen. Das hat fraglos eine gewisse Berechtigung. Doch Kant verleiht im Vorspann seiner Schrift dem Titel eine zusätzliche Bedeutung, indem er ihn mit der auf Gasthausschildern vorkommenden Aufschrift (wie etwa « Zum goldenen Adler ») in Verbindung bringt. Das erlaubt ihm, seine Intention bei der Abfassung der Schrift ironisch von den Friedensstrategien kriegslüsterner Staatsmänner abzuheben, die alle letztlich auf dem Friedhof enden : « Ob diese satirische Überschrift (nämlich « Zum ewigen Frieden ») auf dem Schilde jenes holländischen Gastwirts, worauf ein Kirchhof gemalt war, die Menschen überhaupt, oder besonders die Staatsoberhäupter, die des Krieges nicht satt werden können, oder wohl gar nur die Philosophen gelte (sic !), die jenen süssen Traum träumen, mag dahin gestellt sein ». Die in dem Wortspiel enthaltene hintersinnige Frage nach dem Adressaten der Schrift, welche für ihre Interpretation entscheidend ist, geht bei der Übersetzung unweigerlich verloren. Der französische Leser vermag sich auf den Vorspann zunächst keinen Reim zumachen und betrachtet daher die Einladung Kants, sich über die theoretischen Voraussetzungen eines ewigen Friedens Gedanken zu machen, als praktische Vorschrift, wie er zu realisieren sei. Das weckt gleich Eingangs die Skepsis von Pragmatikern wie Siéyès, welche durch die Schwierigkeiten der kantischen Begrifflichkeit weiterhin bestärkt wird. Hier hilft nur der sprachlich versierte und philosophisch aufgeklärte Kommentar.