Geschichte

Historie meines Bildes „Kant und seine Tischgenossen“ von Emil Doerstling

Wer sich mit Immanuel Kant befasst, kennt das Bild „Kant und seine Tischgenossen“ von Emil Doerstling – allerdings nur Reproduktionen, denn das Gemälde, das der Bankier und Kunstmäzen Walter Simon um 1892 für die Königsberger Universität Albertina in Auftrag gab, ist im 2. Weltkrieg zerstört worden. Was bisher nur Wenigen bekannt ist: Emil Doerstling hat ein weiteres Bild gleichen Titels gemalt, das sich nur geringfügig von dem bekannten Gemälde unterscheidet und sich bis heute in Familienbesitz befindet. „Der Kant“ wurde es familienintern genannt. Vermutlich haben meine Urgroßeltern Robert Guttowsky (24.5.1851 – 8.1.1937) und Rosa Guttowsky, geb. Annighöfer (22.2.1854 – 7.1.1923) – beide geboren und gestorben in Tilsit – dieses Bild erworben. Ihre Vorfahren stammten u. a. aus dem Fürsterzbistum Salzburg. Sie waren eine Familie von protestantischen Bergbauern aus Bad Gastein, die um 1730 von Erzbischof Firmian aus Glaubensgründen vertrieben wurden. Der Preußische König Friedrich Wilhelm I. nahm sie gerne auf. Er suchte Bauern, um Ostpreußen nach der Großen Pest (1709 – 1711), die etwa 40 % der Bevölkerung das Leben gekostet hatte, zu „repeuplieren“. Es waren ca. 20.000 sogenannte Exulanten, die seinem Aufruf folgten und sich in Ostpreußen ansiedelten.

Robert und Rosa Guttowsky hatten 4 Kinder, darunter meine Großmutter Erna, die 1917 meinen Großvater Edwin Roesch in Tilsit heiratete, der damals ebenso wie sie im Hotel Adlon in Berlin arbeitete. Ihr ältestes Kind war Max Guttowsky (12.1.1880 – 5.4.1942), ewiger Junggeselle und erfolgreicher Kaufmann, der um 1920 das Gut Prilacken (heute Bratskoje) ca. 30 km nordwestlich von Königsberg erwarb. Vermutlich hing „der Kant“ einige Jahre im dortigen Gutshaus. Den 1. Weltkrieg hatte das Bild in Tilsit überstanden, den 2. Weltkrieg überstand es in Berlin-Grunewald, wo Max Guttowsky um 1930 eine Villa für sich bauen ließ, die seine Schwester Erna Guttowsky, meine Großmutter, nach seinem Tode 1942 erbte. 1955 übersiedelte das Bild mit meiner Großmutter nach Wiesbaden, bis sie 1960 wieder in ihr Haus in Berlin-Grunewald zurückkehrte, das von der englischen Kommandantur freigegeben worden war. Nach dem Tod meiner Großmutter 1981 kam das Bild zu meinen Eltern nach Mannheim und nach dem Tod meines Vaters 1987 zu mir, erst nach Kamp-Lintfort, anschließend nach Darmstadt und nach Baden bei Wien. Seit meiner Pensionierung Ende 2019 ist das Bild wieder in Deutschland, und ich versuche, weitere Gemälde „Kant und seine Tischgenossen“ von Doerstling ausfindig zu machen. Meine Großmutter wusste zu berichten, dass Emil Doerstling mehrere solcher Bilder gemalt haben soll. Wurden die anderen Gemälde im Krieg zerstört oder hängt irgendwo noch unentdeckt ein Original?

© Matthias Roesch, Dezember 2020

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