Geschichte

Bericht über die „Kant-Tage 2013 in Königsberg/Kaliningrad“

Hiroo Nakamura

Dieses Jahr hatte ich die glückliche Gelegenheit, zum ersten Mal an den „Kant-Tagen 2013 in Königsberg/Kaliningrad“ teilzunehmen. Die Veranstaltung wird von den „Freunden Kants und Königsbergs e. V.“[1] jedes Jahr an Kants Geburtstag, dem 22. April, in Königsberg/Kaliningrad organisiert. Ich möchte hier für die japanischen Interessenten meinen ersten Eindruck von den „Kant-Tagen 2013“ und von der Gesellschaft der „Freunde Kants und Königsbergs“ auf Japanisch berichten. Die Details des Programms ersehen Sie aus der Homepage des Vereins.[2]

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Die „Kant-Tage“ finden seit 2008 jedes Jahr in Kants Stadt Königsberg/Kaliningrad statt. Es gibt Vorträge und Besichtigungen von Orten, an denen Kant sich aufhielt, Konzerte und ein Festessen zu Ehren von Kants Geburtstag („Bohnenmahl“ genannt). Die Gäste haben so Gelegenheit,  sich kennen zu lernen und auszutauschen. Die Inhalte der Veranstaltungen von 2008 bis 2012 sehen Sie in der URL.[3]

Die „Kant-Tage 2013“ fanden vom 18. bis 23. April statt: 41 Teilnehmer aus 6 Ländern (34 Personen aus Deutschland, je zwei aus Lettland und England, je einer aus Italien und Japan). Die jüngste Teilnehmerin war 16, die älteste 79 Jahre alt. Zur Feier des 289. Geburtstags Kants am 22. April 2013 legten alle Teilnehmer zusammen mit Bürgern Kaliningrads Blumen an Kants Grab nieder. Was mich besonders beeindruckte, waren folgende Programmpunkte: Besichtigung von Judtschen/Kanthausen/Weselowoka, wo Kant Hauslehrer war (19. April), Teilnahme an der feierlichen Veranstaltung der Immanuel-Kant- Universität im Dom (20. April), Besuch des Bezirks-Obergerichts der Region Kaliningrad (22. April) und Vorführung des russischen Films „Immanuel Kant. Der philosophische Pfad“ (22. April). Der Film folgt der Biographie Kants und schildert das wirkliche Alltagsleben Kants, das man sich in Japan nur anhand von Büchern vorstellen kann. Die wichtigsten Vorträge waren:

  • Dr. Ineta Balode (Universität Riga): „Die geistigen Beziehungen zwischen Königsberg und dem Baltikum im 18. Jahrhundert“ (auf Deutsch)
  • Lord Egremont (England): „Ostpreußens Schicksal: ein Platz der Versöhnung, der Fantasie und der Hoffnung“ (auf Deutsch)
  • Prof. Dr. Alexej Kruglow (Moskau): „Die Philosophie Kants in Russland nach 1945“ (auf Russisch)
  • Sir Konrad Schiemann (ehem. britischer Richter am Europäischen Gerichtshof) : „Mein Vorfahre Eduard von Simson (1810-1899) – Professor in Königsberg und Vater des deutschen Parlamentarismus“ (auf Deutsch)
  • Prof. Dr. Wladimir Gilmanow (Immanuel-Kant-Universität, Kaliningrad) : „Kant, die geistige Brücke zwischen Russland und Europa“ (auf Deutsch)
  • Sir Konrad Schiemann: „Die Arbeit des Europäischen Gerichtshofs“ (auf Deutsch)
  • Richterin Natalia Kirmassowa: „Einführung in das russische Gerichtswesen“ (auf Russisch)
  • Prof. Aleksej Kruglow (Moskau): „Kant und die Musik“ (auf Russisch)
  • „Bohnenrede“ von Klaus-M. v. Keussler: „Die russische Besetzung Ostpreußens (1758-1762): …..und was macht Kant?“ (auf Deutsch)
  • Prof. Dr. Hiroo Nakamura (Nagano National College of Technology): „Der Weg Kants zum ewigen Frieden im 21. Jahrhundert“ (auf Deutsch) 

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Hier stelle ich kurz die Gesellschaft der „Freunde Kants und Königsbergs“ vor. Sie wurde am 12. Februar 2011 (am 207. Todestag Kants) gegründet und steht in der historischen Tradition der 1805 von William Motherby, dem Freund Kants und Sohn des Kant-Freundes Robert Motherby, in Königsberg gegründeten Gesellschaft der Freunde Kants. Die stellvertretende Vorsitzende der Gesellschaft, Frau Marianne Motherby, stammt direkt von Robert und William Motherby ab. Auch andere Angehörige der Familie Motherby sind Mitglieder dieser Gesellschaft, ebenso Nachkommen des Kant-Freundes Friedrich Leopold Freiherr von Schrötter und des Kant-Freundes Karl Gottfried Hagen (1749-1829). Die Gesellschaft hat derzeit 84 Mitglieder, darunter 66 Deutsche, 9 Russen, 2 Briten, 4 Franzosen und je einen Norweger, eine Schweizerin und einen Kanadier. (Weitere Details sehen Sie in der URL.[4])

Man kann die Herkunft der Mitglieder vielleicht in vier Gruppen einteilen: die erste besteht aus den Mitgliedern, die vor der russischen Besetzung in Königsberg oder in Ostpreußen geboren wurden oder gelebt hatten, die zweite Gruppe aus ihren Kindern oder Verwandten, die dritte aus denjenigen, die sich wissenschaftlich für die Philosophie Kants und die Geschichte und Kultur Ostpreußens interessieren, und die vierte Gruppe besteht aus denjenigen, die Kants Stadt Königsberg/Kaliningrad als einen wichtigen Ort betrachten, um sich für den Weltfrieden einzusetzen.

Nun, wie sehr sich Japaner bis heute mit Kant an- und befreundeten, zeigt schon die Geschichte der Übersetzung der gesammelten Werke Kants in Japan: man hat schon zweimal im 20. Jahrhundert (1918-1937 und 1966-1977) die Werke übersetzt und in 18 Bänden veröffentlicht und am Anfang des 21. Jahrhunderts eine neue Übersetzung angefertigt (in 22 Bänden plus ein Nebenband). Die Übersetzungen von Kants Hauptwerken sowie Studien dazu sind unzählbar. Die Japanische Kant-Gesellschaft hat über 300 Mitglieder. Und wenn man über Japans Beziehungen zu Preußen in der Mitte des 19. Jahrhunderts nachdenkt, so ist wohl leicht zu vermuten, dass es in Japan nicht wenige Freunde Kants und Königsbergs gibt.

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In Japan gibt es die Worte „刻舟求剣“ aus chinesischem Ursprung: „刻“ bedeutet auf Deutsch „einschneiden“, „舟“ einen Kahn, „求“ „suchen“ und „剣“ „ein Schwert“. Das besagt, dass man das ins Wasser gefallene Schwert vergebens sucht, indem man die Stelle mit einer Kerbe im Bord des Kahns markiert. – Ein Mann, dem auf einem Fluss sein Schwert ins Wasser fiel, schnitt eine Kerbe in das Holz des Kahns ein, um den Ort des untergegangenen Schwerts zu kennzeichnen und es später zu suchen. Man sagt, diese Worte belehren den Mann, der immer am Vergangenen hängt, über seine Dummheit. Als ich die Stadt Kaliningrad erstmals besuchte, habe ich mich gleich an diese Worte erinnert und mich geschämt, dass ich die Absicht der Reise missverstanden hatte. Königsberg war allerdings Kants Stadt, in der er geboren und gestorben war. Die Zeit ist aber unaufhaltsam geflossen; die Menschen, die Sprache und die Kultur haben sich völlig geändert. Jene Stadt ist heute eine ganz andere Stadt – Kaliningrad – geworden. Das ist eigentlich die „Geschichte“. Jedoch wurde ich aufs Neue inne, dass es, obgleich alles vergänglich ist, etwas gibt, was unvergänglich ist. Das ist die „Wahrheit der Menschlichkeit“. Das Zeichen, das von Kant ins Herz der Menschheit eingeschnitten wurde, zeigt trotz des Flusses klar und deutlich, was, wie und wo man die Wahrheit der Menschlichkeit finden kann und soll. Auf einem Transparent an der Stirnwand des Hörsaals, in dem die Vorträge stattfanden, war  zu lesen:

Wo Kant ist, ist Königsberg. Königsberg ist, wo Kant ist.

Diesen nicht in der Vergangenheitsform geschriebenen Worten sah ich den Wunsch und die Erwartung des Organisators an. Das Wesen der Menschheit besteht in der auf die Zukunft gerichteten Möglichkeit oder Hoffnung, die den Menschen selbst ganz und gar überlassen ist.

Als die Reihe der kurzen Redebeiträge beim „Bohnenmahl“ am 22. April an mich kam, äußerte ich mich ehrlich:

„Ich danke Ihnen herzlichst dafür, dass Sie mich, als den ersten Teilnehmer aus Asien, eingeladen haben. Meine Damen und Herren, weit in der Ferne des Ostens, in Fernost, gibt es auch ein Land, das Kant und Preußen ehrt und liebt. Es war das preußische System, das sich die moderne japanische Regierung Mitte des 19. Jahrhunderts bei der Meiji-Restauration zum Vorbild nahm. Erst nach der preußischen Verfassung konnte Japan sich die erste moderne Verfassung in Asien geben. Bei diesen Kant-Tagen habe ich erfahren, dass Kant die geistige Brücke zwischen Russland und Europa ist. Ich möchte nun wagen zu sagen, Kant sei auch die geistige Brücke zwischen Europa und Asien sowie zwischen Russland und Japan. Zum Schluss noch ein Wort. Heute Nachmittag habe ich gesehen, dass meine drei Bücher im Glasschrank des Kant-Museums im Dom ausgestellt sind. Das ist eine große Ehre für mich und freut mich wirklich sehr. Ich danke von ganzem Herzen dem Kant-Museum für seine Liebenswürdigkeit!“


[1] www.freundekants.com

[2] http://www.freundekants.com/images/file/Programm_(1).pdf

[3] http://www.freundekants.com/index.php?option=com_content&view=section&id=8&Itemid=14&lang=de

[4] http://www.freundekants.com/index.php?option=com_content&view=article&id=8&Itemid=7&lang=de

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