Philosophie

Der kantische Kosmopolitismus in der zeitgenössischen Kultur der Identität

Man erinnert sich an das berühmte Prinzip, das Kant in „ Zum ewigen Frieden“ dargelegt hat: Alle Politik muss ihre Knie vor dem Recht beugen. Indem Kant dieses Gebot formulierte, blieb er in einer Kultur der Autonomie: So wie ein Individuum über sich selbst hinauswächst, dadurch, dass es als Maxime ein Gesetz übernimmt, dessen universelle Gültigkeit die Auswirkung hat, die Menschen in Bezug auf Freiheit und Würde einander anzugleichen, ebenso sind die Staaten fähig, über ihren nationalen Egoismus hinauszuwachsen durch die Wahl, einem höheren Gesetz entsprechend  zu handeln, nämlich dem einer Friedensallianz, die die Staaten als das politisch und frei konstruktiv Gewollte eines weltbürgerlichen Zustandes weltweiten Friedens einander angleicht. Die Autonomie der Staaten wird sich durch ihr Über-sich-selbst-Hinauswachsen zu Gunsten eines allgemein akzeptierten gesetzgebenden Systems manifestieren. Die kantische Auffassung der politischen Autonomie, getrieben von der Priorität des gemeinsamen Interesses, ist zutiefst republikanisch.

Es ist anders, wenn es sich nicht mehr um ein Über-sich-selbst-Hinauswachsen des Staates handelt, sondern um einen Rückzug des Staates. Heutzutage hört man das heraus im Vokabular der wachsenden Verrechtlichung des sozialen Lebens. Die Verrechtlichung begünstigt die Vorrangstellung der Regeln des Rechts in der Regulierung kommerzieller, sozialer, kultureller und politischer Aktivitäten, wobei sie einen Rückzug des Staates, der Autorität des allgemeinen Interesses und der Vorrangstellung des aus dem allgemeinen Willen hervorgegangenen Gesetzes impliziert. Ganz wie die Rechtssoziologen beobachten die Juristen die fortschreitende Absetzung des Rechtsstaates als einigende Transzendenz, welche Begründerin eines politischen Korps von Bürgern ist, auf Kosten des Anstiegs an Machtfülle der bürgerlichen Gesellschaft als Quelle einer Mannigfaltigkeit von Orten der Hervorbringung und Verwaltung der juristischen Norm. So manifestiert das wachsende Bedürfnis nach Rechtsprechung nicht mehr so sehr die Autorität des Staates, sondern die zunehmende Wichtigkeit der individuellen Gesuche und ihren Einfluss auf die öffentliche Meinung.

Unsere Frage ist die folgende: Was wird aus der kantischen Konzeption des ewigen Friedens, wenn man von der Kultur der Autonomie zu einer Kultur der Identität übergeht?

Der erste Schritt unserer Überlegung lässt ein erstes Paradoxon aufscheinen: die Tatsache, dass der Universalismus sich selbst wieder als ein Pluralismus definiert und dass der Pluralismus umgekehrt dazu dient, von einem authentisch universalistischen Willen Zeugnis abzulegen.

Der zweite Schritt lässt ein zweites Paradoxon klar zu Tage treten: die Tatsache, dass die Kultur der Identität die Minderheiten dazu führt, dass sie  Einfluss gewinnen, wenn sie das praktizieren, was Kant einen „politischen Moralismus“ nannte, den er als eine falsche Moral analysierte.

Diese beiden Wege werden durch dieselbe Fragestellung geleitet: Kann die Art und Weise, in der der Kantismus die Universalität der Prinzipien und die Verschiedenheit der Völker in Einklang brachte, der Reflexion über die Probleme, die wir uns heute stellen, Nahrung geben?

Erster Teil

Erster Teil und erste Frage: Warum präsentiert sich der Universalismus heute als ein Pluralismus? Zwei Philosophen helfen uns beim Verständnis: einerseits John Rawls, weil er ein kantisches Modell verwendet, um seine Konzeption des Gesellschaftsvertrags (1) zu erstellen und weil er nach seinem Verständnis die Divergenzen der Meinungen und Religionen (2) hinzufügen möchte, um den politischen Humanismus demokratischer zu gestalten; andererseits Ulrich Beck, weil er dem politischen Wert des Kosmopolitismus einen kulturellen Wert beigeben möchte: So gelangt man von einem Kosmopolitismus zu einem Kosmokulturalismus.

1. John Rawls

Mit Rawls vollzieht der Universalismus eine Wandlung zum Pluralismus, weil man von der Pluralität der Staaten (die charakteristisch ist für den kantischen Kontext) zur Pluralität der individuellen Glaubensinhalte übergeht. Während der kantische Kosmopolitismus fundamental republikanisch ist, denkt Rawls seinerseits an die Pluralität in einer entschieden demokratischen Perspektive. So ist es vor allem die Geltendmachung der Unterschiede, die für Rawls die Besonderheit eines politischen Liberalismus definiert: „Dem politischen Liberalismus sind Konflikte am schwersten lösbar, bei denen es eingestandenermaßen um höchste Dinge, um religiöse und philosophische Weltanschauungen und unterschiedliche moralische Konzeptionen des Guten geht (3)“. Das bedeutet, dass die liberale Demokratie vor allem eine öffentliche Kultur ist und nicht die Unterwerfung der Meinungen unter eine dominante Ideologie, sei sie auch noch so liberal. Das will indes nicht heißen, das der Pluralismus ein Relativismus ist, sonst wäre die liberale Demokratie kein höchster politischer Wert mehr: Die Demokratie verlangt von allen eine Zustimmung zu Basisprinzipien. Deshalb darf auch der Pluralismus keine dominante Ideologie sein. Die Lösung liegt in dem, was Rawls einen „übergreifenden Konsens“  nennt, in einem Minimalkonsens, was den Inhalt betrifft und in einem Maximalkonsens, was den Umfang angeht. Es gibt keinen anderen Grund, die Demokratie zu wollen, als die Demokratie selbst. Das ist eine streng politische Version des Konsenses, der aus der Toleranz gegenüber den Überzeugungen der Anderen und aus dem Respekt vor den Freiheiten eines jeden eine Wahl trifft, die gemeinsame politische Werte, eine „öffentliche Vernunft“ erschafft, jedoch keine Wahl, die für irgendeine Ideologie, Religion oder Ethik unter anderen eintritt: „als solcher, nämlich als Konsens, stellt sie <die politische Konzeption> im Namen dieser grundlegenden Werte Forderungen an umfassende Lehren, so dass diejenigen, die sie ablehnen, Gefahr laufen, ungerecht zu sein (4).“

Man kann von Rawls` Pluralismus behalten, dass er ein politischer Grundwert ist, dem alle Bürger ihre Zustimmung geben können: Es handelt sich nicht um eine separatistische Politik, sondern um eine Politik der Einheit und Stabilität in und durch Toleranz.

2. Ulrich Beck

Mit Ulrich Beck ist der Komopolitismus nicht mehr, wie bei Kant, das wichtigste   Ziel der Außenpolitik der modernen und republikanischen Nationalstaaten, sondern die Innenpolitik einer Weltregion, eines sich bildenden Europas. Kant schlug eine Allianz zwischen den Staaten vor im Hinblick auf die Bestimmung der Regeln eines friedlichen Miteinanders, Ulrich Beck schlägt vor, ein Europa wie einen kosmopolitischen Staat zu bilden, nämlich postnational und plurinational. Kant lehnte das Modell des amerikanischen Kongresses (5) ab und wünschte für Europa eine Gemeinschaft freier Staaten, die frei bleiben sollen, das heißt, der Zusammenschluss soll aufhebbar, das heisst widerrufbar sein. Ulrich Beck verwirft eine auf Nationalstaaten gegründete kosmopolitische Politik, die er anklagt, dass sie die Barbarei entfesselt, die Greueltaten des XX. Jahrhunderts verursacht, „…die staatliche Souveränität, die Grausamkeit, den Hass und die menschennegierende Gewalt unendlich gesteigert und perfektioniert hat. (6)“ Die Eliminierung des Nationalismus als Ideologie im Dienste der Staatsmacht ist also in seinen Augen der erste Gegenstand, um den es geht, bei einem zukünftigen kosmopolitischen Europa.

Aber die Tonart ändert sich, wenn es um die Vielheit der Glaubensinhalte geht und nicht mehr bloß um die Vielheit der Staaten. Während man die Verschiedenheit der Nationen als gefährlich ansieht, erscheint die Vielzahl der Religionen und Kulturen im Gegensatz dazu als begeisternd, und sie wird dann zum Synonym für Offenheit und Anerkennung des Andersseins der Anderen: „Kosmopolitismus meint die radikale Anerkennung des Anderen in fünf grundsätzlich verschiedenen Dimensionen: „Andersheit der kulturell Anderen (andere Zivilisationen und Modernen); Andersheit der Zukunft; Andersheit der Natur; Andersheit des Objekts; und Andersheit anderer Rationalitäten. (7)“ Was Reflexion verdient: Sind die nationalen Unterschiede gefährlicher als die metaphysischen und religiösen Unterschiede, da doch diese letzteren untereinander in der Frage nach dem ultimativen Sinn des Lebens und somit in den Gründen für Tod und Leben rivalisieren? Mit Beck gestaltet sich die Legitimation des Kosmopolitismus eher kulturell als politisch, man hat es weniger mit einem Kosmo-politismus als mit einem Kosmo-kulturalismus zu tun.

Der Unterschied zum kantischen Denken ist spürbar: Worauf Europa heutzutage Gewicht legen muss, ist nicht so sehr der politisch vernünftige Wert einer kosmopolitischen Politik als sein kulturell akzeptabler Wert. Der Frieden bleibt das Wichtigste, worum es geht, aber von nun an ist das Mittel, um Frieden zu schaffen, die Bestätigung der kulturellen Verschiedenheit und die Ermutigung dazu. Daher muss man jegliche Versuchung einer kulturellen Hegemonie ignorieren, leugnen und zerstören. Aber da Europa einen Kosmopolitismus von Unions- und Sammlungsbewegungen erfunden hatte, muss es auch gegen sich selbst kämpfen. Was es gerne tut, dadurch dass es einen selbstkritischen Pluralismus praktiziert. Der Pluralismus der Europäer muss sich von seiner eigenen Konzeption der Nationalstaaten, sowohl von seiner imperialistischen Vergangenheit als auch von seiner kolonialistische Vergangenheit lossagen, dafür um Verzeihung bitten und eine Präferenz für den Anderen an den Tag legen, die der Präferenz seiner selbst überlegen ist. Dieser Pluralismus, der nicht mehr politisch sondern kulturell ist, nimmt hin, dass die Kritik der Aufklärung, des europäischen Humanismus und Universalismus heutzutage  Teil des Rechtsanspruchs auf Verschiedenheit jener ist, die nicht im Abendland geboren sind. Ist dieses Europa, das aus dem kulturellen Pluralismus eine veritable kosmopolitische Politik macht, so weit, dass es seine Identität im selben Augenblick verwirft, in dem es der der anderen einen sakralen Charakter verleiht?

Zweiter Teil

Diese neue Konzeption des kosmopolitischen Friedens führt zu neuen philosophischen und politischen Fragestellungen. Die kosmopolitische Hoffnung besteht nicht mehr darin zu sehen, wie alle Völker der Welt das gleiche Streben, die gleiche Vision, die gleiche Konzeption des Staates und der politischen Gerechtigkeit übernehmen; man fragt sich heute, wie die Gestaltung einer Welt, wie das Zusammenleben, wie eine vielschichtige Realität im Namen eben dieser Pluralität eine gemeinsame Realität schaffen kann.

Zwei Phänomene verdienen Beachtung:

  • die gewöhnlich existierende Konfusion zwischen einem separatistischen Pluralismus und einem humanistischen Pluralismus.
  • Das Anwachsen der Macht eines identitarischen „politischen Moralismus“

1) Der Pluralismus vereinigt die Geister in dem gleichen Wunsch nach gegenseitiger Toleranz. Aber nicht alle verstehen unter dem Wort „Pluralismus“ dasselbe. Im demokratischen Sinne ist der Pluralismus eine Politik der Anerkennung  der Verschiedenheit der Meinungen als Prinzip des sozialen Friedens und der Gerechtigkeit. Im humanistischen Sinne stellt sich der Pluralismus dar als Moral des Respekts vor den Menschen als Brüder. Wenn ich den Anderen in seinem Anderssein respektiere, so ist es, weil sein Anderssein den gegenseitigen Respekt nicht behindert. Der Pluralismus im kulturell differenzialistischen oder separatistischen Sinne verlangt seinerseits eine differenzierende Behandlung der Differenzen durch Ausnahmen vom gemeinen Recht oder durch die Selbstbehauptung gegen den Anderen (wovon die nationalistische Kriegstreiberei Zeugnis abgelegt hat).Während der humanistische Pluralismus ein Universalismus ist, bezeichnet sich der differenzialistische Pluralismus gerne als anti- universalistisch. Hier erscheint die erste Ebene des Problems: Einer der Erfolge des kulturellen Differenzialismus rührt daher, dass man ihn als eine Intensivierung der humanistischen Forderung nach Gleichheit betrachtet, wobei man den kulturellen Relativismus als eine Erweiterung des Gleichheitsprinzips zwischen den Menschen ansieht. Das Resultat dieser Zweideutigkeit ist, dass der weltliche Humanismus paradoxerweise als moralische Kaution für den kulturellen Separatismus dienen kann.

2) Wenn man von einer Demokratie, die auf der Souveränität der Völker beruht, übergeht zu einer Souveränität der Individuen und der Identitäten, dann beobachtet man das Anwachsen eines identitarischen „politischen Moralismus“.

Eines der Mittel, dessen sich die Identitäten bedienen, um Beachtung und Einfluss in der Öffentlichkeit zu erobern, besteht darin, ihr Recht auf  Anerkennung geltend zu machen. Genauer gesagt: Sie müssen ein subjektives Bedürfnis nach Anerkennung umwandeln in ein öffentliches Recht, das allen entgegengehalten werden kann; Sie müssen erreichen, dass dem privaten Anspruch eine öffentliche Legitimität verliehen wird. Dieses Phänomen der Privatisierung der Öffentlichkeit  bedient sich am häufigsten des Mittels der Medien, der Viktimisierung. Das Recht auf Entschädigung, Ausgleich, Wiederherstellung des Selbst usw. lässt sich ausgehend vom Grad des Leides feststellen, das durch Verkennung oder Verachtung entstanden ist. Das psychische Trauma wird heute als Mittel verwendet, um die öffentliche Meinung zu rühren, weil „leiden bedeutet, gehört zu werden (8)“ und es bedeutet eine öffentliche Ermahnung, die zu politischem Handeln aufruft. Das Leid spielt so die Rolle dessen, was Kant „politischen Moralismus“ nannte,  zum Nutzen einer Gruppe, jedoch nicht des ganzen Volkes. Kant wandte sich da gegen die politischen Herrschaften, wobei er sie anklagte, sich der Moral zu bedienen, um die Politik über das Recht zu stellen und so ihr persönliches Verlangen nach Macht zu begünstigen. Das höchste Interesse des Staates oder das Wohl des Volkes diente als Vorwand für eine Autorisierung der Entscheidungen zur Kriegsführung oder zu Einschränkungen der Freiheit, was sich letzlich als günstig für eine Politik persönlicher Macht erwies. In unserem Fall sind es nicht die Staaten, sondern die Glaubensgemeinschaften oder sexuelle Gemeinschaften, die den politischen Moralismus praktizieren, wobei sie die übergeordnete Moral einer kulturellen Integrität oder einer moralisch-kulturellen Empfindlichkeit über das gemeine Recht stellen. Im Namen einer religiösen, sexuellen oder ethnischen Zugehörigkeit, im Namen einer Art identitarischer Souveränität stellen die Gruppen eine private Moral, die sie dem gemeinen Gesetz überlegen erachten, über die Gesetze; indem sie auf der Klaviatur der Emotionen oder der Opferrolle spielen, gelangen sie zu einer Art  Bestimmungsrecht der öffentlichen Meinung, geradeso als übten sie direkte Gewalt aus im Stile einer  „Hyperdemokratie (9)“ von Massen. Während das Prinzip der Öffentlichkeit bei Kant erlauben sollte, den privaten Inhalt einer Maxime von seiner öffentlichen Gültigkeit zu dissoziieren, und daraus einen Nutzen zu ziehen, der günstig für ein gemeinsames Zusammenleben ist, macht die Öffentlichkeit im Dienste einer Kultur der Identität das Gegenteil und verleiht  den  Überzeugungen  Legitimität, sofern sie privat und weil sie privat sind.

3) Diese Bemerkungen führen zum Schluss dieses Parcours mit einer letzten Frage: Wie soll man den kosmopolitische Geist Kants in einer Zeit bewahren, in der man aus Universalismus pluralistisch zu sein hat, und den Weg zu einem gerechten Zusammenleben finden muss, das sich vor identitarischen Moralismen bewahrt? Wie soll man kosmopolitische Gastlichkeit in einer Kultur der Identität praktizieren, die zu einem endlosen Prozess der Kämpfe um Anerkennung verurteilt zu sein scheint?

Es scheint, dass der Kantismus uns über einen Punkt eine Lehre erteilen kann: Sein Kosmopolitismus beruht nicht allein auf einer Gesamtheit abstrakter juristischer Prinzipien, verkündet von den hohen Lehrstühlen der Philosophie, es bedarf ebenso eines anthropologischen Antriebs, der die Hoffnung auf seine Verwirklichung in den Sitten erlaubt. „ Wenn es Pflicht, wenn zugleich gegründete Hoffnung da ist, den Zustand eines öffentlichen Rechts, obgleich nur in einer ins Unendliche fortschreitenden Annäherung wirklich zu machen, so ist der ewige Friede…keine leere Idee (10)“. Ohne ein Minimum an Zivilisationssolidarität laufen die Friedensprojekte Gefahr, Vereinigungen von einander Fremden zu ähneln, formellen fleisch- und seelenlosen Allianzen. Im Kantismus definiert die Perfektabilität unserer Spezies eine anthropologische Solidarität, die tiefer ist als jegliche Spaltung und gibt der Idee des Friedens eine kulturelle und vitale Bedeutung. Die Menschheit ist ein kollektives Wesen in Bewegung auf ein gemeinsames Schicksal hin, das sie zwingt, sich zu vereinen oder unterzugehen, wobei ihre gemeinsame Bestimmung die Grenzen und die Unterschiede hinter sich lässt so, „dass kein Glied aller Zeugungen des Menschengeschlechts, sondern nur die Gattung ihre Bestimmung völlig erreiche (11).“ Die Perfektabilität oder menschliche Erziehbarkeit eignet nicht den Individuen, sie ist keine persönliche Qualität oder ein persönliches Verdienst, sondern ein Zugehörendes und eine Qualität, die der menschlichen Spezies inhärent ist. Die Anlage zur Vervollkommnung ist das Kennzeichen eines Schicksals, das seine eigenen Fähigkeiten übersteigt und das sogar die Grenzen seines eigenen Lebens überschreitet: Sie bildet ein Band zwischen den Generationen, denn unsere Werke, unsere Verpflichtungen und unsere Unternehmungen werden von einem Anderen, der nach uns kommt, verstanden und entwickelt werden; sie ist die Verlängerung eines Lebens in einem anderen, dem eines Individuums oder dem eines Volkes. Welche Anthropologie kann heute als Basis für einen kritischen Humanismus dienen, der das Abgleiten des Pluralismus in einen Separatismus verhindern und das Gefühl überwinden kann, dass die Demokratie, wie die Moderne, permanent Krieg gegen sich selber führt?

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Anmerkungen

(1) John Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit (1971)

(2) John Rawls, Politischer Liberalismus (1993)

(3) John Rawls, Politischer Liberalismus, Suhrkamp Taschenbuch, S.67

(4) Ibid., S. 353. <der vollständige Satz lautet: Dennoch können wir sagen, die politische Konzeption sei ein vernünftiger  Ausdruck der politischen Werte der öffentlichen Vernunft und der Gerechtigkeit zwischen freien und gleichen Bürgern. Als solcher stellt sie im Namen dieser grundlegenden Werte Forderungen an umfassende Lehren, so dass diejenigen, die sich ablehnen, Gefahr laufen, im politischen Sinne ungerecht zu sein>

(5)Kant, Metaphysik der Sitten, Rechtslehre, II. Teil, § 61, Verlag von Felix Meiner in Hamburg, 1966, S. 181.

(6) Ulrich Beck, Macht und Gegenmacht im globalen Zeitalter, Suhrkamp Taschenbuch, 2009, S. 157.

(7) Ibid., S. 414.

(8) Richard Rechtman, Revue Etudes, février 2011, S. 184.

(9) José Ortega y Gasset, La rebelión de las masas, Espasa-Calpe S.A., Madrid, 1981, S. 71.

(10) Kant, Zum ewigen Frieden, Anhang II, in Geschichtsphilosophie, Verlag von Felix Meiner, 1973, S. 169.

(11) Kant, Rezension von Herders Ideen zur Philosophie der Geschichte, Teil 2.

Übersetzung von Thomas Börger

© Monique Castillo

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