Geschichte

Königsberg und die Welfen

Andreas Hesse

Königsberg und die Welfen

I. Einleitung

Am 20. Oktober[1] dieses Jahres jährt sich zum dreihundertsten Male der Beginn der Personalunion zwischen dem Kurfürstentum und späteren Königreich Hannover und dem Königreich Großbritannien. Der Blick auf die Geschichte der Welfen richtet sich also gegenwärtig gen Westen. Ich möchte jedoch mit Ihnen einen Blick in die andere Himmelsrichtung tun und nach welfischer Geschichte im Osten Europas fragen. Warum dies? Anlässlich eines Besuchs im Jahre 2011 führte uns Dombaumeister Igor Odinzov durch den Dom und wies auf ein kürzlich rekonstruiertes Epitaph hin. Beim Entschlüsseln der lateinischen Inschrift stellte ich fest, dass das Epitaph der Anna Maria von Braunschweig-Lüneburg gewidmet war[2]. Dieser Name war mir bereits in meiner dienstlichen Tätigkeit begegnet, handelte es sich doch um die 1532 in Hannoversch Münden geborene Tochter der Elisabeth von Braunschweig-Lüneburg. Anna Maria von Braunschweig-Lüneburg war die zweite Ehefrau Herzog Albrechts von Preußen; sie verstarb 1568 in Königsberg. Auf ihre Mutter Elisabeth von Calenberg-Göttingen geht wiederum der Allgemeine Hannoversche Klosterfonds zurück, eine größere, heute noch existierende Stiftung[3], die durch die Klosterkammer Hannover verwaltet wird, in deren Leitung ich tätig bin. Ich war also neugierig geworden: sollte es weitere Verbindungen zwischen den Welfen und Königsberg geben? Dieser Frage möchte ich in den folgenden Ausführungen nachgehen.

II. Überblick zur Geschichte der Welfen

Um den Gegenstand der Untersuchung verorten zu können, legt es sich nahe, zunächst einen Überblick über die Geschichte des Geschlechts der Welfen zu geben. Das ursprünglich fränkische Adelsgeschlecht der Welfen ist seit dem Ende des 8. Jahrhundert bekannt[4]. Seine Ursprünge liegen im Maas-Mosel-Raum[5], es war eng mit dem Kaiserhaus der Karolinger verwandt. Die Welfen gelangten im 9. Jhdt zu umfangreichem Besitz in Oberschwaben. Das Geschlecht starb 1055 im Mannesstamm mit Welf III., Herzog von Kärnten und Markgraf von Verona, aus. Darauf holte seine Mutter Imiza/Irmengard von Luxemburg ihren Enkel, den Sohn ihrer Tochter Kuniza/Kunigunde und des oberitalienischen Adligen Albert Azzo (d’Este), Welf IV., nach Schwaben und übertrug ihm das welfische Erbe.[6] Von Welf IV. leiten sich die nachfolgenden jüngeren Welfen sämtlich ab. Diese stellten ab 1070 (mit Unterbrechungen) bis 1180 die Herzöge von Bayern, von 1137 bis 1180 die Herzöge von Sachsen und ab 1235 die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg. 1692 stieg die im Teilfürstentum Calenberg-Göttingen regierende Linie zu Kurfürsten von Hannover auf; sie erbte 1714 vom Haus Stuart den Thron des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Irland, den sie bis 1901[7] als Haus Hannover besetzte. Das Kurfürstentum Hannover wurde auf dem Wiener Kongress 1814 zum Königreich Hannover erhoben; die britischen Monarchen regierten es bis 1837[8] in Personalunion, danach – bis zur Annexion durch Preußen 1866 – ein nach Deutschland zurückgekehrter Zweig des englischen Königshauses. Eine ältere Linie regierte im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel, das 1814 zum Herzogtum Braunschweig wurde; nach dem Aussterben dieser Linie 1884 fiel der Braunschweiger Thron an die im österreichischen Exil lebende hannoversche Linie, die ihn aber erst 1913 einnehmen konnte, bis zur Novemberrevolution 1918. Die Welfen hatten somit ihren Machtzenit zum einen im Heiligen Römischen Reich im 12. Jahrhundert als Gegenpart zu den Staufern, zum anderen im 18. und 19. Jahrhundert als Könige von Großbritannien und Irland. Sie sind, neben den Kapetingern, das älteste noch existierende Hochadelsgeschlecht Europas.

III. Welfen in Königsberg

Nach diesem kurzen Überblick über die Geschichte der Welfen möchte ich Ihnen nun drei Vertreter des Geschlechts vorstellen, deren Leben und Wirken jeweils enge Beziehungen zu Königsberg aufweist.

III.1 Luther von Braunschweig[9][10]

Der erste Welfe, der uns bei chronologischer Betrachtung in Königsberg begegnet, ist Luther (auch Luder bzw. Lothar) von Braunschweig. Dieser, um 1275 als jüngster Sohn Herzog Albrechts zu Braunschweig-Lüneburg und dessen zweiter Ehefrau Adelheid von Montferrat († 1285) geboren, war seit 1331 Hochmeister des Deutschen Ordens. Gemäß den traditionell freundlichen Beziehungen seines Hauses zum Orden – 1240 hatte der Großvater, 1265 der Vater an den Prußenkämpfen der Brüder teilgenommen – trat Luther von Braunschweig nach dem Februar 1287 in den Deutschen Orden ein. 1297 erstmals urkundlich in Preußen genannt, war er zwischen 1308 und 1312 Komtur von Gollub, damals einer der bedeutenderen Kommenden des Kulmerlandes. 1313 war Luther Hauskomtur der Marienburg und schließlich von 1314-1331 oberster Trappier des Deutschen Ordens und damit gleichzeitig Komtur von Christburg, einer Komturei im Siedlungsgebiet der Preußen. Sie erstreckte sich vom Süden entlang der Ufer der Weichsel bzw. der Küste des Frischen Haffes. Luther gründete dort einige Dörfer und ordnete ältere Siedlungen neu. 1326 gründete er die Stadt Gilgenburg. Christburg, Deutsch Eylau und Saalfeld erhielten durch ihn verbesserte Handfesten, d.h. Stadtrechte. Unter ihm wurden weite Gebiete in seiner Komturei erschlossen und später zur neuen Kommende Osterode (1329) zusammengefasst. Am 17 Februar 1331 wurde Luther von Braunschweig am zum Hochmeister des Deutschen Ordens gewählt. Als solcher förderte er weiter die Besiedlung des Landes, unternahm selbst aber kaum Reisen. 

Auf ihn geht die Gründung des Königsberger Domes in seiner heutigen Form zurück. Im Jahre 1327 überließ der Vorgänger von Luther von Braunschweig als Hochmeister des Deutschen Ordens, Werner von Orseln, dem Bischof ein Grundstück am Ostende der Pregelinsel Kneiphof für den Bau des Doms. Um das Jahr 1330 begann der Bau an der neuen Stelle, zuerst als Wehrkirche mit dicken Wänden, Wehrgang und anderen Verteidigungseinrichtungen. Der Deutsche Orden ließ aber nicht zu, dass ganz in der Nähe der Ordensburg eine Festung entstünde, und stoppte den Bau. Am 13. September 1333 unterschrieben Bischof und Hochmeister[11] einen Vertrag zwischen Orden und Kirche, mit dem der Bau des Domes, jetzt nur reines Kultgebäude ohne Wehrfunktionen, fortgesetzt werden konnte. Dieses Datum wird als Gründung des Königsberger Domes betrachtet. Luther von Braunschweig war persönlich bei der Weihe anwesend.[12] Er verstarb am 18.04.1335. Seinem letzten Willen gemäß[13] wurde er im Königsberger Dom bestattet. Dort hat sich sein Grab[14] bis zur Zerstörung des Doms 1944 erhalten.[15]

Luther von Braunschweig förderte nicht nur Erschließung und Besiedlung des Landes, sondern erwarb sich auch Verdienste um die geistliche Dichtung im Ordensland. Er selbst verfasste eine deutschsprachige, jedoch nicht erhaltenen Barbara-Legende; in seinem Auftrag begann der Priesterbruder Nikolaus von Jeroschin seine deutsche Versübertragung der lateinischen Ordenschronik des Peter von Dusburg.

III.2 Anna Maria von Braunschweig-Lüneburg

Unser zweiter Blick fällt auf Anna Maria Braunschweig-Lüneburg[16]. Sie wurde als Tochter von Herzog Erich I. von Braunschweig-Lüneburg (1470–1540) und der Elisabeth von Braunschweig-Lüneburg (1510–1558) am 23. April 1532 in Hannoversch Münden geboren. Diese ihre Mutter, war eine Tochter von Joachim I., Kurfürsten von Brandenburg (1484 – 1535), mithin eine Schwester Joachim II. von Brandenburg (1505 – 1571).

Anna Maria von Braunschweig-Lüneburg heiratete am 17. März 1550 Markgraf Albrecht I. von Brandenburg-Ansbach (1490–1568), nachdem dessen erste Ehefrau Dorothea von Dänemark 1547 verstorben war, ohne dass aus der Ehe ein männlicher Erbe hervorgegangen wäre.[17] Albrecht, seit 1511 letzter Hochmeister des Deutschen Ordens, hatte sich 1522/23 dem lutherischen Bekenntnis zugewandt, 1525 den Deutschen Orden in Preußen aufgehoben und das Ordensland in ein erbliches Herzogtum unter der Oberlehnshoheit Polens umgewandelt. Er starb, ebenso wie seine Ehefrau, am 20. März 1568. Aus der gemeinsamen Ehe gingen eine Tochter, Elisabeth (1551–1596), und ein Sohn, der Nachfolger als preußischer Herzog, Albrecht Friedrich (1553–1618), hervor. Dieser war zunächst unmündig, später geisteskrank[18], gleichwohl war zunächst durch ihn der Fortbestand des preußischen Herzogshauses gewährleistet.[19] Wegen seiner Regierungsunfähigkeit wurde die Regentschaft im Herzogtum Preußen seit 1577 durch Georg Friedrich von Brandenburg-Ansbach als Statthalter wahrgenommen.

Das Epitaph der Anna Maria von Braunschweig-Lüneburg befand sich an der Südseite des Chores[20] des Domes; seine kürzlich erfolgte Rekonstruktion gab, wie eingangs erwähnt, den unmittelbaren Anlass zu diesem Vortrag. Das Epitaph entstammt ebenso wie das für Dorothea von Dänemark[21] aus der Werkstatt des Cornelis Floris in Antwerpen.[22] Die lateinische Inschrift gibt ihre Biographie und rühmt ihre Eigenschaften, hier auszugsweise wiedergegeben in der deutschen Übersetzung[23]:

Auch des Herzogs Albrecht, des Ersten, zweite Gemahlin
Schläft und Ein Aschenkrug schließt zwei Erlauchte hier ein.
Vom glorreichen Geschlecht der Guelphen entstammt durch die Eltern,
Lieh ihr der Ahnen Verdienst einen erhabenen Ruf,
Welche durch Tugend, so wie durch glänzende Thaten in früher
Zeit sich erworben des Ruhms nimmer vergänglichen Schmuck.
An dem kühlen Gestad der Fulda und Weser erblickte
Als Saxoniens Fürst Erich, ihr Vater, das Licht[24],
Ihre Mutter Elisa, des ersten Joachim Tochter,
War durch des Wappens Zier unserem Herzog verwandt[25]:

Jene denselbigen Tag, deß Licht der Leiche des Gatten
leuchtete, folgte nach ihm in erhebendem Tod,
…”

Ein weiterer Gesichtspunkt ist es wert, im Hinblick auf Anna Maria von Braunschweig-Lüneburg erwähnt zu werden: Sie war eine ungewöhnlich gebildete Frau. Mit einer sorgfältigen Ausbildung in den klassischen Sprachen, in theologischen Fragen und in der Medizin versehen[26], zeigte sie durchaus Verständnis für künstlerische und geistige Dinge und schätzte den Umgang mit gebildeten Männern.[27]

Bereits ihre Mutter Elisabeth von Braunschweig-Lüneburg war als Schriftstellerin hervorgetreten[28]. So hatte sie einen umfangreichen Briefwechsel mit ihrem Schwiegersohn

Albrecht von Preußen geführt[29] und unter anderem 1545 ein Regierungshandbuch für ihren Sohn Erich II (“Unterrichtung und ordnung, unser, von gots gnaden, Elisabeth, geborne Marggrefin zu Brandenburg etc. hertzogin zu Braunschweick und Lüneburck etc. Witwe, so wir aus gantz mutterlicher wolmeinung und getreuem hertzen dem hochgebornen fursten, hern Erich… zu freundlicher unt nutzlicher underrichtung und gefallen gestalt haben”[30]) sowie 1550 für eben ihre Tochter Anna Maria ein Ehestandsbuch (Mütterlicher Unterricht für Anna Maria, Herzogin von Preußen) veröffentlicht[31]. In dieser Tradition verfasste Anna-Maria von Braunschweig-Calenberg 1563 ein Regierungshandbuch für ihren Sohn Albrecht Friedrich (“Fürstenspiegel. Das ist Wie sich ein christlicher Fürst und Herr in seinem Amt und Stand gegen Gott und die Welt, die Zeit seines Lebens verhalten soll”)[32], wobei der Inhalt aber eher auf Ideen der Hofgeistlichen beruht haben durfte.[33] Angesichts der Regierungsunfähigkeit von Albrecht Friedrich (s. vorstehend) dürfte der praktische Nutzen gering gewesen sein, es ging hier darum, das eigene Selbstverständnis, den eigenen Machtanspruch und den eigenen Status der Verfasserin öffentlich zu machen.

Diesem Selbstverständnis entsprach es auch, dass Anna Maria von Braunschweig über eine eigene Kammerbibliothek verfügte, die etwa sechzig Bände umfasste.[34] Unter ihnen verdienen die zwanzig Bände der sog. Silberbibliothek besondere Beachtung: Es handelt sich um Werke der Reformatoren, insbesondere von Luther und Brenz[35], aber auch das eben erwähnte Regierungshandbuch der Elisabeth von Calenberg für ihren Sohn Erich II., deren Einbände vollständig mit Silber beschlagen sind. Die Einbände zeigen u.a. biblische und allegorische Szenen, sie sind ein exzellentes Beispiel für den hohen Stand der Gold- und Silberschmiedekunst des 16. Jhdts. Anzumerken ist hier, dass der Bestand umfassend beschrieben ist in dem Werk von Schwenke und Lange 1894[36]. 1828 wurde die Silberbibliothek in die “Königlichen Schloß- und Universitätsbibliothek” übernommen.[37] Zu großen Teilen ist sie heute in der Universitätsbibliothek Thorn erhalten.[38]

III.3 Sophie Charlotte von Braunschweig-Lüneburg

Sophie Charlotte von Braunschweig-Lüneburg wurde am 20.10.1668 als einzige Tochter Sophies von der Pfalz und ihres Gemahls Ernst August, des Herzogs von BraunschweigLüneburg, in Schloss Iburg bei Osnabrück geboren. Sie war die jüngere Schwester von Georg Ludwig von Braunschweig-Lüneburg, der 1660 geboren, 1714 wie eingangs erwähnt als Georg I. Den englischen Thron bestieg. Ihr Vater erbte 1679 das Herzogtum und erlangte 1692 die Kurwürde. Die Mutter schenkte Sophie Charlottes Erziehung große Aufmerksamkeit; die Erziehung erfolgte allerdings ohne starke konfessionelle Bindung, da im dynastischen Kalkül ihrer Eltern Sophie Charlotte eine wichtige Rolle zukam. So reiste ihre Mutter mit ihr u. a. an den französischen Hof, dies nicht zuletzt in der Absicht, sie dort zu verheiraten. Nachdem sich Pläne zerschlagen hatten, sie an einen hochrangigen Vertreter eines katholischen Herrscherhauses zu verehelichen, wurde mit dem brandenburgischen Kurprinzen Friedrich (ab 1688: Kurfürst Friedrich III.) 1684 ein Reformierter als Gatte gefunden. Als Hohenzoller gehörte dieser zwar nicht zur Spitze der europäischen Hocharistokratie, aber als Vertreter eines Kurhauses erschien er Sophie Charlottes Eltern im Hinblick auf die eigenen Bemühungen, die Kurwürde für Hannover zu erlangen, opportun.

Mit der Geburt von Friedrich Wilhelm (I.) am 14. August 1688 hatte Sophie Charlotte ihre dynastische Aufgabe, einem Thronfolger das Leben zu schenken, erfüllt – nachdem zuvor der Erstgeborene kurz nach der Geburt gestorben und zweite Kind eine Totgeburt gewesen war.

Bis etwa 1700 versuchte die Kurfürstin wiederholt, politisch Einfluss zugunsten des Welfenhauses auszuüben. Sie trug 1697 zum Sturz des Oberpräsidenten Eberhard von

Danckelmann bei, der im Spiel um die Gunst des Kurfürsten ihr größter Gegner war und den Etat ihrer Hofhaltung beschnitt. Finanziell beanspruchte sie der 1695 begonnene Bau ihres Lustschlosses Lietzenburg, das spätere Charlottenburg, mit seiner aufwändigen Gartenanlage weniger, da sie selbst 10.000 Reichstaler aus eigenem Vermögen beisteuern konnte. Mit Erhöhung ihrer Revenuen stiegen aber auch die Summen für die Erweiterungsbauten und die Innenausstattung des Schlosses.

Ein besonderer Höhepunkt in ihrem Leben stellte die Krönung zur ersten preußischen Königin dar. Nach zehnjährigem Bemühen hatte Kurfürst Friedrich III. im Kontrakt vom 16. Nov. 1700 die Zustimmung des Kaisers Leopold I. erhalten, sich in dem Teil Preußens, der nicht reichsangehörig war, zum König krönen zu lassen. So traf die kurfürstliche Familie am 29. Dez. 1700 in Königsberg ein.

Am 15. Januar wurde das Königtum durch Herolde feierlich im Schlosshof, vor dem Schloss und vor den drei Rathäusern der damals noch selbständigen Städte Altstadt, Kneiphof und Löbenicht proklamiert.[39] Der Krönungsakt fand am 18. Januar 1701 im Königsberger Schloss statt. Nachdem Friedrich den Audienzsaal erreicht hatte, empfing er die Krone und krönte sich von eigener Hand. Er folgte damit dem Beispiel Karls XII. von Schweden, der sich 1697 in Stockholm selbst gekrönt hatte.[40] Anschließend krönte der nunmehrige Friedrich I. Sein Gemahlin Sophie Charlotte. Die Huldigung durch die Vertreter der Stände schloss sich an.[41]

Mit Purpur, Krone und Zepter zogen darauf der König und Königin im feierlichen Zug vom Schloss zum Königsberger Dom. Der Krönungsgottesdienst wurde von dem reformierten Hofprediger Ursinus von Bär und dem lutherischen Hofprediger Bernhard von Sanden gemeinsam gehalten.[23] Sie waren für die Feier zu Bischöfen ernannt worden. Der Gottesdienst fand seinen Höhepunkt in der Salbung des Königspaares an Stirn und Puls durch die Geistlichen. Die Verbindung von Aufklärung und Christentum wurde damit sichtbar. Zahlreiche Feierlichkeiten für Hof und Bevölkerung schlossen sich an. Am 8. März 1701 kehrte das Königspaar nach Berlin zurück.

Zurückgekehrt nach Lietzenburg, wo inzwischen großartige Erweiterungen infolge der königlichen Rangerhöhung verwirklicht wurden, lebte Sophie Charlotte wieder ganz ihren Interessen. Den Winteraufenthalt im Berliner Schloss verkürzte sie wie so oft durch ihre Reisen zum Karneval nach Hannover. Dort verstarb sie ganz unerwartet an den Folgen einer verschleppten Erkältung am 1. Februar 1705. Ihre letzte Ruhe fand sie im Berliner Dom.

Wie wichtig Sophie Charlotte für die Begründung einer königlichen Tradition der Hohenzollern war, zeigte sich nach ihrem Ableben: Friedrich I. verwandelte ihr Lustschloss Lietzenburg in einen dynastischen Memorialbau: Charlottenburg verwies fortan auf die erste preußische Königin. An dieser Traditionsstiftung beteiligte sich auch Friedrich II. Indem er Sophie Charlottess höfische Lebensart, ihr Interesse an Theater, Musik und Philosophie lobend hervorhob, instrumentalisierte er sie für die Konstruktion einer intellektuellen Genealogie französischer Prägung.[42]

IV. Schluss

Die vorstehenden Ausführungen mögen gezeigt haben, dass die Geschichte Preußens nicht nur eine Geschichte des Hauses Hohenzollern ist, sondern dass es auch Angehörige des welfischen Hauses waren, die Epochen der preußischen Geschichte, die in Königsberg spielten, wenn nicht geprägt, so doch maßgeblich beeinflusst haben. Da nur ein Überblick gegeben werden sollte, war eine knappe Form der Darstellung zu wählen.


[1] Krönung von Kurfürst Georg-Ludwig von Braunschweig-Lüneburg zum König Georg I von Großbritannien und Irland, vgl. Aschoff, H: Die Welfen, Stuttgart 2010, S. 174

[2] Vgl. Bareisel-Brand, A..: Grabdenkmälger nordeuropäischer Fürstenhäuser im Zeitalter der Renaissance 1550 – 1650, Schleswig-Holsteinische Schriften zur Kunstgeschichte Band 9, Kiel 2007, S. 138 ff., vgl auch Gebser/Hagen, a.a.O., S. 263

[3] Vgl. von Boetticher, M.: Von der Reformation im Fürstentum Calenberg-Göttingen zur Entstehung des Allgemeinen Hannoverschen Klosterfonds, in: Hist. Verein für Niedersachsen (Hg.): Herzogin Elisabeth von BraunschweigLüneburg (1510 – 1558), Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens, Band 12, S. 248 ff.

[4] Ruthard Graf in Argenau, gest. um 790, vgl. http://www.welfen.de/stammtafel.html , abgerufen am 12.02.2014, zur Geschichte der süddeutschen Welfen s.a. Kruppa, N.: Illuminierte Herrscher, in: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte Bd. 80, Hannover 2008, S. 241 ff

[5] Burgundische Welfen

[6] Kruppa, N.: Illuminierte Herrscher, in: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte Bd. 80, Hannover 2008, S. 245

[7] Tod von Queen Victoria

[8] Tod William IV., unterschiedliche Erbfolgeregelung: GB: Queen Victoria, H: Ernst August

[9] Literatur : ADB III; O. Schreiber, Die Personal- u. Amtsdaten d. Hochmeister d. Dt. Ritterordens v. s. Gründung b. z. J. 1525, in: Oberländ. Gesch.bll. 3, 1909-13; A. B. E. v. d. Oelsnitz, Herkunft u. Wappen d. Hochmeister d. Dt. Ordens 1198-1525, 1926; K. Kasiske, Die Siedlungstätigkeit d. Dt. Ordens im östl. Preußen b. z. J. 1410, 1934; E. Maschke, Der dt. Ordensstaat, Gestalten s. gr. Meister, 1935; K. Helm u. W. Ziesemer, Die Lit. d. Dt. Ritterordens, 1951; Altpr. Biogr.;Friedrich Borchert: Die Hochmeister des Deutschen Ordens in Preußen erschienen in der “Preußischen Allgemeinen Zeitung” am 11. August 2001. Josef Dolle: Luther von Braunschweig, In: Horst-Rüdiger Jarck, Dieter Lent u. a. (Hrsg.): Braunschweigisches Biographisches Lexikon – 8. bis 18. Jahrhundert. Appelhans Verlag, Braunschweig 2006, ISBN 3-937664-46-7, S. 468f. Karl Helm (Hrsg.): Das Buch der Maccabäer, in mitteldeutscher Bearbeitung. Tübingen 1904. Simon Helms: Luther von Braunschweig. Der Deutsche Orden in Preußen zwischen Krise und Stabilisierung und das Wirken eines Fürsten in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, In: Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens, Band 67, Marburg 2009, ISBN 3-77081330-8 Horst-Rüdiger Jarck, Gerhard Schildt (Hrsg.): Die Braunschweigische Landesgeschichte – Jahrtausendrückblick einer Region. 2. Auflage. Appelhans Verlag, Braunschweig 2001, ISBN 3-930292-28-9. Martin Armgart: LUTHER (LUDER) von Braunschweig. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 5, Bautz, Herzberg 1993, ISBN 3-88309

[10] zit. Nach Scholz, Klaus, „Luther von Braunschweig“, in: Neue Deutsche Biographie 15 (1987), S. 540
[Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd102507589

[11] Gebser/Hagen, Der Dom zu Königsberg in Preussen, Erste Abteilung, Königsberg 1835, S. 108 mwN, u.a. Quellenangaben zur Urkunde

[12] Gebser/Hagen, a.a.O., S. 119

[13] Gebser/Hagen, a.a.O., S. 120

[14] Vgl. Schmidtke, M., Königsberg in Preußen, Husum 1997, S. 12, s. a. Gebser/Hagen, a.a.O., S. 120,123

[15] Dolle, J.: Luther von Braunschweig, in Jark, H R. u.a. (Hg.): Braunschweigisches Biographisches Lexikon, 8. – 18. Jhdt., Braunschweig 2006, S. 468

[16] Auch: Anna Maria von Braunschweig-Calenberg, vgl. Thielen, P. G.: Die Kultur am Hofe Herzog Albrechts von Preußen (15225 – 1568), Göttinger Bausteine zur Geschichtswissenschaft Heft 12, Göttingen 1953, S. 18

[17] Die Söhne Friedrich Albrecht und Albrecht verstarben bereits als Kleinkinder

[18] Was angesichts des Verwandschaftsgrades nicht wirklich erstaunlich war, denn Anna-Maria war eine entfernte Cousine von Albrecht I.

[19] Baresel-Brand, S. 138 mwN.

[20] Baresel-Brand, S. 139

[21] Vgl. hierzu: Osiecki, C.: Rediscovered Cornelis Floris bust in The Pushkin Museum Moscow, http://www.codart.nl/news/965/ abgerufen 12.02.2014

[22] Baresel-Brand, S. 138

[23] Gebser, A. R. / Hagen, E. A.: Der Dom zu Königsberg in Preußen, Zweite Abteilung, Königsberg 1833, S. 264

[24] Historisch unzutreffend, Erich I. wurde in Neustadt am Rübenberge geboren

[25] s. Fn. 17

[26] Tondel, J.: Zur Verfügbarkeit der Buchbestände der „Nova Bibliotheca“ in Königsberg in der Herrschaftszeit des Herzogs Albrecht von Preußen, in: Institut Nordostdeutsches Kulturwerk Lüneburg (Hg.): Nordost-Archiv, Zeitschrift für Regionalgeschichte Neue Folge Band III/1994, Heft 2, S. 336 mwN

[27] Thielen, P. G.: Die Kultur am Hofe Herzogs Albrechts von Preußen (1525 – 1568), Göttingen 1953, S. 18

[28] Vgl. Tschackert, P.: Herzogin Elisabeth von Münden (gest. 1558), geborene Markgräfin von Brandenburg, die erste Schriftstellerin aus dem Hause Brandenburg und aus dem braunschweigischen Hause, ihr Lebensgang und ihre Werke, Leipzig und Berlin 1899

[29] Mengel, I. (Hg.): Elisabeth von Braunschweig-Lüneburg und Albrecht von Preußen – Ein Fürstenbriefwechsel der Reformationszeit, Veröffentlichungen der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung Nr. 11, Göttingen 1954

[30] Vgl. Weber, W. E. J.: Ein anfang zu christlicher Regierung – Das Regierungshandbuch der Elisabeth von Calenberg von 1545 im politisch-ideengeschichtlichen Kontext, in: Hist. Verein für Niedersachsen (Hg.), Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens, Band 132, Hannover 2011, S. 167

[31] Texte bei Tschackert, a.a.O.

[32] Ausgabe von Nicolovius, A., Königsberg 1835

[33] Bareisel-Brand, S. 138

[34] Bareisel-Brand, S. 138, vgl. auch Schlotheuber, E.: Fürstliche Bibliotheken – Bibliotheken von Fürstinnen, in: Hist. Verein für Niedersachsen (Hg.), Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens, Band 132, Hannover 2011, S. 217

[35] Vgl. die Rekonstruktion der Silberbibliothek bei Shevchenko, N.: Eine historische Anthropologie des Buches, Göttingen 2007, S. 339

[36] Schwenke, P; Lange, K.: Die Silberbibliothek Herzog Albrechts von Preußen und seiner Gemahlin Anna Maria, Leipzig 1894

[37] Komorowski, M.: Das Schicksal der Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, in: Bibliothek, Forschung und Praxis, Jg. 4 (1980), S. 139

[38] Vgl. Tondel, J.

[39] Stribny, Christentum und Aufklärung – die Königsberger Krönung vom 18. Januar 1701, in: Landsmannschaft Ostpreußen (Hg.): 300 Jahre preußische Königskrönung von 1701, Leer 2001, S. 5

[40] Stribny, a.a.O.

[41] Stribny, a.a.O.

[42] Hahn, P.-M.: Sophie Charlotte von Preußen, in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 593-594 [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd118751530.html

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