Eine deutsch-russische Jugendgruppe besuchte im April Kaliningrad und begab sich auf eine Spurensuche in die Vergangenheit. Die Frage nach Kant und Königsberg im Kaliningrad von heute mag altmodisch klingen, die Antworten darauf sind es nicht.
Bereits zum zwölften Mal veranstaltete die „Gesellschaft der Freunde Kants und Königsbergs“ (www.freunde-kants.com) anlässlich des Geburtstages Immanuel Kants, der sich 2019 zum 295. Mal jährt, über die Ostertage eine Studienreise in das Kaliningrader Gebiet. In diesem Jahr zum ersten Mal mit dabei und gefördert vom Auswärtigen Amt war eine Jugendgruppe, bestehend aus zehn russischen und deutschen Studenten. Das gemeinsame Ziel beider Gruppen: die Philosophie des großen Denkers in seiner Heimatstadt geistig wieder lebendig werden zu lassen und darüber neue Wege für die deutsch-russische Zusammenarbeit zu erkunden.
Das Programm der Exkursion war wie in jedem Jahr äußerst vielfältig. So standen nicht nur lehrreiche Vorträge und angeregte Gespräche über die philosophischen Leistungen Immanuel Kants auf der Tagesordnung, sondern auch die Besichtigung der historischen Schätze Kaliningrads sowie zahlreiche Ausflüge in die Region. In Wesselowka etwa wurde am 20.04. die neue Ausstellung im ehemaligen Judtschener Pfarrhaus feierlich eröffnet, wo Immanuel Kant als Hauslehrer den Grundstein für seine wissenschaftliche Karriere gelegt hatte. Neben dem aus Mitteln des Kulturfonds des russischen Präsidenten restaurierten Gebäude sollen in den nächsten Jahren noch ein Gästehaus und ein Begegnungszentrum entstehen, wie die Vorsitzende des Kant-Museums im Königsberger Dom, Marina Jadowa, mitteilte.
„Hier kann ein Ort geschaffen werden, an dem man Europa wirklich begreifbar machen kann. Und das sogar auf eine tiefere Art und Weise als an all jenen Orten, wo sich Europa gerade vor sich selbst versteckt“, pflichtete ihr Professor Chechot aus Sankt Petersburg bei. Damit war zugleich eines der Hauptanliegen des Jugendprogramms auf den Punkt gebracht. Über Kants 300. Geburtstag im Jahr 2024 hinaus soll nach den Plänen des Vorsitzenden Gerfried Horst der zivilgesellschaftliche Austausch zwischen Deutschland und Russland gestärkt werden. Vorsichtige Schritte in diese Richtung ergaben sich für die Jugendgruppe bei einem Gespräch mit dem deutschen Generalkonsul Dr. Banzhaf und Professor Krouglov aus Moskau, in dem die Identifikation der Stadt und ihre mögliche Brückenfunktion diskutiert wurden.
Höhepunkt der Reise war wie in jedem Jahr das „Bohnenmahl“ zu Kants Geburtstag, das an eine noch von Kants persönlichen Freunden begründete Tradition anknüpft und mit großem Interesse von der Öffentlichkeit aufgenommen wurde. Aufgetischt wird dabei nur eine einzige Bohne, zubereitet von einem Silberschmied, und wer das Glück hat, sie in seinem Essen zu finden, beglückt im Folgejahr die Festgemeinschaft mit einem wissenschaftlichen Vortrag zu einem frei gewählten Thema in leichter Sprache. Also ganz im Sinne Kants.
Konkrete Pläne für die Weiterentwicklung des Jugendworkshops gibt es übrigens auch schon. So wollen sich die Teilnehmer bereits im Herbst wieder treffen, um eine digitale Stadtkarte zu schaffen, die in- und ausländischen Besuchern die Geschichte und den ihr innewohnenden Weltgeist der Stadt näherbringen soll. Die Hoffnung ist ungebrochen, dass dieses internationale Projekt weiterhin nicht nur Menschen aus verschiedenen Gegenden und mit unterschiedlichen Hintergründen zusammenbringt, sondern dass auch irgendwann die internationale Großwetterlage mit Kant in Kaliningrad ihren Lehrmeister findet.
Quelle: Königsberger Express, Magnus Obermann Auf Kants Spuren. URL: https://archiv.koenigsberger-express.com/indexa024.html?b=1&id=19&a=5&id_article=4238
© 2019 Magnus Obermann